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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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nen andern Werth, als daß sie den sonderbaren Uebergang einer verschrobenen Phantasie von Comedie zur Predigt, und von der Predigt zur Comedie anschaulich machen können; ein Uebergang, der sich bei einem jungen Mann, welcher von einer lebhaften Neigung zum Theater beherrscht wird, oder irgend einmal beherrscht wurde, sehr natürlich denken läßt, zumal wenn man dazu nimmt, daß es zwischen den Actionen des Schauspielers und so manches Geistlichen eine große Aehnlichkeit giebt. Uebrigens leuchtet aus den Briefen ein gutes ehrliches Herz hervor, das nur durch gewisse Umstände, durch eine Anlage zur Hypochondrie, und wahrscheinlich durch eine unglückliche Liebe, vielleicht auch durch eine verstimmte Neigung zur Thätigkeit und Eitelkeit, die Quelle überspannter Empfindungen und jener unseligen Liebe zum Theater wurde. Jn einer andern Lage, unter andern Umständen, würde der junge Mann, der Talente verräth, gewiß ein sehr brauchbarer Bürger des Staats geworden seyn.

Man wird übrigens wenig lebhafte Leute finden, welche nicht einmal eine Lust zum Theater in sich bemerkt haben sollten, und es ist von einigen unsrer besten Teutschen Köpfe bekannt, daß sie alle Gründe der Vernunft nöthig hatten, um sich nicht dem Theater zu widmen, wovon ich sonderbare Beispiele erzählen könnte. Die Sache ist ganz natürlich. Die


nen andern Werth, als daß sie den sonderbaren Uebergang einer verschrobenen Phantasie von Comedie zur Predigt, und von der Predigt zur Comedie anschaulich machen koͤnnen; ein Uebergang, der sich bei einem jungen Mann, welcher von einer lebhaften Neigung zum Theater beherrscht wird, oder irgend einmal beherrscht wurde, sehr natuͤrlich denken laͤßt, zumal wenn man dazu nimmt, daß es zwischen den Actionen des Schauspielers und so manches Geistlichen eine große Aehnlichkeit giebt. Uebrigens leuchtet aus den Briefen ein gutes ehrliches Herz hervor, das nur durch gewisse Umstaͤnde, durch eine Anlage zur Hypochondrie, und wahrscheinlich durch eine ungluͤckliche Liebe, vielleicht auch durch eine verstimmte Neigung zur Thaͤtigkeit und Eitelkeit, die Quelle uͤberspannter Empfindungen und jener unseligen Liebe zum Theater wurde. Jn einer andern Lage, unter andern Umstaͤnden, wuͤrde der junge Mann, der Talente verraͤth, gewiß ein sehr brauchbarer Buͤrger des Staats geworden seyn.

Man wird uͤbrigens wenig lebhafte Leute finden, welche nicht einmal eine Lust zum Theater in sich bemerkt haben sollten, und es ist von einigen unsrer besten Teutschen Koͤpfe bekannt, daß sie alle Gruͤnde der Vernunft noͤthig hatten, um sich nicht dem Theater zu widmen, wovon ich sonderbare Beispiele erzaͤhlen koͤnnte. Die Sache ist ganz natuͤrlich. Die

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[12/0012] nen andern Werth, als daß sie den sonderbaren Uebergang einer verschrobenen Phantasie von Comedie zur Predigt, und von der Predigt zur Comedie anschaulich machen koͤnnen; ein Uebergang, der sich bei einem jungen Mann, welcher von einer lebhaften Neigung zum Theater beherrscht wird, oder irgend einmal beherrscht wurde, sehr natuͤrlich denken laͤßt, zumal wenn man dazu nimmt, daß es zwischen den Actionen des Schauspielers und so manches Geistlichen eine große Aehnlichkeit giebt. Uebrigens leuchtet aus den Briefen ein gutes ehrliches Herz hervor, das nur durch gewisse Umstaͤnde, durch eine Anlage zur Hypochondrie, und wahrscheinlich durch eine ungluͤckliche Liebe, vielleicht auch durch eine verstimmte Neigung zur Thaͤtigkeit und Eitelkeit, die Quelle uͤberspannter Empfindungen und jener unseligen Liebe zum Theater wurde. Jn einer andern Lage, unter andern Umstaͤnden, wuͤrde der junge Mann, der Talente verraͤth, gewiß ein sehr brauchbarer Buͤrger des Staats geworden seyn. Man wird uͤbrigens wenig lebhafte Leute finden, welche nicht einmal eine Lust zum Theater in sich bemerkt haben sollten, und es ist von einigen unsrer besten Teutschen Koͤpfe bekannt, daß sie alle Gruͤnde der Vernunft noͤthig hatten, um sich nicht dem Theater zu widmen, wovon ich sonderbare Beispiele erzaͤhlen koͤnnte. Die Sache ist ganz natuͤrlich. Die

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/12>, abgerufen am 29.03.2024.