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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

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Mutter dachte, sondern auch den Tag über nicht an sie gedacht hatte, wo das Mondenlicht mich alles genau im Zimmer unterscheiden ließ, wenn er mir, sage ich, mit seiner hier gewiß übelangebrachten Scharfsinnigkeit beweisen wollte, daß ich das nicht gehört und gesehn hätte, was ich doch eben so gewiß versichert bin, gehört und gesehn zu haben, als ich nach einer Stunde überzeugt seyn werde, hier an dieser Stelle geschrieben und das Dintenfaß vor mir gesehn zu haben. Was würde er sagen, wenn er sich anders des vernünftigen Gebrauchs seiner Sinne bewußt ist, wenn ich ihm morgen mit vielen Gründen der Wahrscheinlichkeit (denn mit Gewißheit können wir von dieser Materie wenig behaupten,) beweisen wollte, daß er heute nicht mit mir gesprochen hat, da er doch gewiß weiß, daß er mit mir geredet hat? Doch ich lasse mich in keinen Streit hierüber ein, weil meine Absicht nur ist, Geschichten aus der Erfahrung zu erzählen, deren Wahrheit wenigstens für mich gewisser ist, als die Richtigkeit der Grundsätze alter und neuerer Philosophen über diese Materie.


II.

Jm Herbste 1775 trat auf dem Landgute meines Vaters die Ruhr ein, und da auch einer von meinen Brüdern, ein Knabe von neun Jahren, da-


Mutter dachte, sondern auch den Tag uͤber nicht an sie gedacht hatte, wo das Mondenlicht mich alles genau im Zimmer unterscheiden ließ, wenn er mir, sage ich, mit seiner hier gewiß uͤbelangebrachten Scharfsinnigkeit beweisen wollte, daß ich das nicht gehoͤrt und gesehn haͤtte, was ich doch eben so gewiß versichert bin, gehoͤrt und gesehn zu haben, als ich nach einer Stunde uͤberzeugt seyn werde, hier an dieser Stelle geschrieben und das Dintenfaß vor mir gesehn zu haben. Was wuͤrde er sagen, wenn er sich anders des vernuͤnftigen Gebrauchs seiner Sinne bewußt ist, wenn ich ihm morgen mit vielen Gruͤnden der Wahrscheinlichkeit (denn mit Gewißheit koͤnnen wir von dieser Materie wenig behaupten,) beweisen wollte, daß er heute nicht mit mir gesprochen hat, da er doch gewiß weiß, daß er mit mir geredet hat? Doch ich lasse mich in keinen Streit hieruͤber ein, weil meine Absicht nur ist, Geschichten aus der Erfahrung zu erzaͤhlen, deren Wahrheit wenigstens fuͤr mich gewisser ist, als die Richtigkeit der Grundsaͤtze alter und neuerer Philosophen uͤber diese Materie.


II.

Jm Herbste 1775 trat auf dem Landgute meines Vaters die Ruhr ein, und da auch einer von meinen Bruͤdern, ein Knabe von neun Jahren, da-

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[87/0089] Mutter dachte, sondern auch den Tag uͤber nicht an sie gedacht hatte, wo das Mondenlicht mich alles genau im Zimmer unterscheiden ließ, wenn er mir, sage ich, mit seiner hier gewiß uͤbelangebrachten Scharfsinnigkeit beweisen wollte, daß ich das nicht gehoͤrt und gesehn haͤtte, was ich doch eben so gewiß versichert bin, gehoͤrt und gesehn zu haben, als ich nach einer Stunde uͤberzeugt seyn werde, hier an dieser Stelle geschrieben und das Dintenfaß vor mir gesehn zu haben. Was wuͤrde er sagen, wenn er sich anders des vernuͤnftigen Gebrauchs seiner Sinne bewußt ist, wenn ich ihm morgen mit vielen Gruͤnden der Wahrscheinlichkeit (denn mit Gewißheit koͤnnen wir von dieser Materie wenig behaupten,) beweisen wollte, daß er heute nicht mit mir gesprochen hat, da er doch gewiß weiß, daß er mit mir geredet hat? Doch ich lasse mich in keinen Streit hieruͤber ein, weil meine Absicht nur ist, Geschichten aus der Erfahrung zu erzaͤhlen, deren Wahrheit wenigstens fuͤr mich gewisser ist, als die Richtigkeit der Grundsaͤtze alter und neuerer Philosophen uͤber diese Materie. II. Jm Herbste 1775 trat auf dem Landgute meines Vaters die Ruhr ein, und da auch einer von meinen Bruͤdern, ein Knabe von neun Jahren, da-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/89>, abgerufen am 24.11.2024.