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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

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der Reizbarkeit angezogen werden können. Der Kranke fühlt dann alles lebhafter und heftiger; sonst ihm gleichgültige leise Sensationen, werden jezt gewaltige Erschütterungen, und das sonst unbemerkte Vorübergehen einer Begierde, wird, zumal wenn die Seele, wie hier der Fall ist, nicht durch viele neue Jdeen zerstreut wird, nun ein fast unbezwinglicher Wunsch, die Begierde zu erfüllen, zumal da bei Nervenkranken die Einbildungskraft meistentheils eine sehr große, fast überspannte Lebhaftigkeit gewinnt. Ausser diesen allgemeinen Gründen zur Erklärung jenes Phänomens, und den sehr durchdachten Anmerkungen des Herrn Einsenders darüber, muß auch noch die Jugend des Kranken hier in Erwägung gezogen werden, der in seinem 30sten Jahre starb. Alle Bilder seiner Phantasie, alle unerlaubte Regungen und Wünsche mußten schon dadurch dringender, stärker, heftiger werden, und die Reize der Sinnlichkeit sich auch wohl dadurch zudrängen, daß die lebhafte Einbildungskraft sie als nun bald nicht mehr vorhanden vorzeichnete.

"Da der Ausbruch jedes Triebes und jeder Gesinnung sich stärker auszeichnete, fährt er fort: so hätte dies bei dem Guten eben sowohl statt finden müssen. Lagen also in meiner Seele eben so viel gute, als böse Triebe schlafend: so mußten sich beide unter diesen Umständen gleich häufig entdecken; das war aber der Fall gar nicht. Es ist wahr, zuweilen überströmte ein gutes Gefühl die Seele eben


der Reizbarkeit angezogen werden koͤnnen. Der Kranke fuͤhlt dann alles lebhafter und heftiger; sonst ihm gleichguͤltige leise Sensationen, werden jezt gewaltige Erschuͤtterungen, und das sonst unbemerkte Voruͤbergehen einer Begierde, wird, zumal wenn die Seele, wie hier der Fall ist, nicht durch viele neue Jdeen zerstreut wird, nun ein fast unbezwinglicher Wunsch, die Begierde zu erfuͤllen, zumal da bei Nervenkranken die Einbildungskraft meistentheils eine sehr große, fast uͤberspannte Lebhaftigkeit gewinnt. Ausser diesen allgemeinen Gruͤnden zur Erklaͤrung jenes Phaͤnomens, und den sehr durchdachten Anmerkungen des Herrn Einsenders daruͤber, muß auch noch die Jugend des Kranken hier in Erwaͤgung gezogen werden, der in seinem 30sten Jahre starb. Alle Bilder seiner Phantasie, alle unerlaubte Regungen und Wuͤnsche mußten schon dadurch dringender, staͤrker, heftiger werden, und die Reize der Sinnlichkeit sich auch wohl dadurch zudraͤngen, daß die lebhafte Einbildungskraft sie als nun bald nicht mehr vorhanden vorzeichnete.

»Da der Ausbruch jedes Triebes und jeder Gesinnung sich staͤrker auszeichnete, faͤhrt er fort: so haͤtte dies bei dem Guten eben sowohl statt finden muͤssen. Lagen also in meiner Seele eben so viel gute, als boͤse Triebe schlafend: so mußten sich beide unter diesen Umstaͤnden gleich haͤufig entdecken; das war aber der Fall gar nicht. Es ist wahr, zuweilen uͤberstroͤmte ein gutes Gefuͤhl die Seele eben

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[6/0008] der Reizbarkeit angezogen werden koͤnnen. Der Kranke fuͤhlt dann alles lebhafter und heftiger; sonst ihm gleichguͤltige leise Sensationen, werden jezt gewaltige Erschuͤtterungen, und das sonst unbemerkte Voruͤbergehen einer Begierde, wird, zumal wenn die Seele, wie hier der Fall ist, nicht durch viele neue Jdeen zerstreut wird, nun ein fast unbezwinglicher Wunsch, die Begierde zu erfuͤllen, zumal da bei Nervenkranken die Einbildungskraft meistentheils eine sehr große, fast uͤberspannte Lebhaftigkeit gewinnt. Ausser diesen allgemeinen Gruͤnden zur Erklaͤrung jenes Phaͤnomens, und den sehr durchdachten Anmerkungen des Herrn Einsenders daruͤber, muß auch noch die Jugend des Kranken hier in Erwaͤgung gezogen werden, der in seinem 30sten Jahre starb. Alle Bilder seiner Phantasie, alle unerlaubte Regungen und Wuͤnsche mußten schon dadurch dringender, staͤrker, heftiger werden, und die Reize der Sinnlichkeit sich auch wohl dadurch zudraͤngen, daß die lebhafte Einbildungskraft sie als nun bald nicht mehr vorhanden vorzeichnete. »Da der Ausbruch jedes Triebes und jeder Gesinnung sich staͤrker auszeichnete, faͤhrt er fort: so haͤtte dies bei dem Guten eben sowohl statt finden muͤssen. Lagen also in meiner Seele eben so viel gute, als boͤse Triebe schlafend: so mußten sich beide unter diesen Umstaͤnden gleich haͤufig entdecken; das war aber der Fall gar nicht. Es ist wahr, zuweilen uͤberstroͤmte ein gutes Gefuͤhl die Seele eben

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/8>, abgerufen am 24.11.2024.