Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


dere aber zog mein Herz heraus, drückte es in seinen Händen zusammen, daß die Erbsünde in einem schwarzen Tropfen herausfloß, und legte es dann wieder an seine vorige Stelle. Diese Operation verursachte mir nicht den mindesten Schmerz.

Gleich darauf breitete Gabriel seine hundertundvierzig Paar Flügel, die gleich der Sonne glänzten, aus einander, und führte die Stute Al-Borac zu mir, welche weisser als Milch ist, und eine Menschengestalt und Pferdekinnbacken hat. Jhre Augen funkelten, wie die Sterne, und die Strahlen, welche herausfuhren, waren viel wärmer und durchdringender, als die des Gestirns des Tages, wenn es am heftigsten brennt. Die Stute breitete ihre zwei grossen Adlersflügel aus einander, ich näherte mich, und sie wollte mich umbringen. Aber Gabriel sprach zu ihr: Sey ruhig, o Borac! und gehorche dem Propheten Mahomet. Der Prophet Mahomet, erwiederte Borac, wird mich nicht besteigen dürfen, wenn du von ihm nicht erhältst, daß er mich am Tage der Auferstehung in's Paradies eingehen läßt! Beruhige dich, Borac, war meine Antwort, du sollst mit in's Paradies eingehen!

Borac ward darauf sehr ruhig. Jch schwang mich auf seinen Rücken, und schneller als der Bliz flog es dahin. Ein Augenblick, und ich sahe mich an dem geheiligten Thore des Tempels zu Jerusa-


dere aber zog mein Herz heraus, druͤckte es in seinen Haͤnden zusammen, daß die Erbsuͤnde in einem schwarzen Tropfen herausfloß, und legte es dann wieder an seine vorige Stelle. Diese Operation verursachte mir nicht den mindesten Schmerz.

Gleich darauf breitete Gabriel seine hundertundvierzig Paar Fluͤgel, die gleich der Sonne glaͤnzten, aus einander, und fuͤhrte die Stute Al-Borac zu mir, welche weisser als Milch ist, und eine Menschengestalt und Pferdekinnbacken hat. Jhre Augen funkelten, wie die Sterne, und die Strahlen, welche herausfuhren, waren viel waͤrmer und durchdringender, als die des Gestirns des Tages, wenn es am heftigsten brennt. Die Stute breitete ihre zwei grossen Adlersfluͤgel aus einander, ich naͤherte mich, und sie wollte mich umbringen. Aber Gabriel sprach zu ihr: Sey ruhig, o Borac! und gehorche dem Propheten Mahomet. Der Prophet Mahomet, erwiederte Borac, wird mich nicht besteigen duͤrfen, wenn du von ihm nicht erhaͤltst, daß er mich am Tage der Auferstehung in's Paradies eingehen laͤßt! Beruhige dich, Borac, war meine Antwort, du sollst mit in's Paradies eingehen!

Borac ward darauf sehr ruhig. Jch schwang mich auf seinen Ruͤcken, und schneller als der Bliz flog es dahin. Ein Augenblick, und ich sahe mich an dem geheiligten Thore des Tempels zu Jerusa-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0061" n="59"/><lb/>
dere aber zog                   mein Herz heraus, dru&#x0364;ckte es in seinen Ha&#x0364;nden zusammen, daß die Erbsu&#x0364;nde in einem                   schwarzen Tropfen herausfloß, und legte es dann wieder an seine vorige Stelle.                   Diese Operation verursachte mir nicht den mindesten Schmerz.</p>
            <p>Gleich darauf breitete <hi rendition="#b">Gabriel</hi> seine hundertundvierzig                   Paar Flu&#x0364;gel, die gleich der Sonne gla&#x0364;nzten, aus einander, und fu&#x0364;hrte die Stute <hi rendition="#b">Al-Borac</hi> zu mir, welche weisser als Milch ist, und                   eine Menschengestalt und Pferdekinnbacken hat. Jhre Augen funkelten, wie die                   Sterne, und die Strahlen, welche herausfuhren, waren viel wa&#x0364;rmer und                   durchdringender, als die des Gestirns des Tages, wenn es am heftigsten brennt. Die                   Stute breitete ihre zwei grossen Adlersflu&#x0364;gel aus einander, ich na&#x0364;herte mich, und                   sie wollte mich umbringen. Aber Gabriel sprach zu ihr: Sey ruhig, o <hi rendition="#b">Borac!</hi> und gehorche dem Propheten <hi rendition="#b">Mahomet.</hi> Der Prophet Mahomet, erwiederte <hi rendition="#b">Borac</hi>, wird mich nicht besteigen du&#x0364;rfen, wenn du von ihm nicht erha&#x0364;ltst,                   daß er mich am Tage der Auferstehung in's Paradies eingehen la&#x0364;ßt! Beruhige dich, <hi rendition="#b">Borac</hi>, war meine Antwort, du sollst mit in's Paradies                   eingehen!</p>
            <p><hi rendition="#b">Borac</hi> ward darauf sehr ruhig. Jch schwang mich auf seinen                   Ru&#x0364;cken, und schneller als der Bliz flog es dahin. Ein Augenblick, und ich sahe                   mich an dem geheiligten Thore des Tempels zu Jerusa-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0061] dere aber zog mein Herz heraus, druͤckte es in seinen Haͤnden zusammen, daß die Erbsuͤnde in einem schwarzen Tropfen herausfloß, und legte es dann wieder an seine vorige Stelle. Diese Operation verursachte mir nicht den mindesten Schmerz. Gleich darauf breitete Gabriel seine hundertundvierzig Paar Fluͤgel, die gleich der Sonne glaͤnzten, aus einander, und fuͤhrte die Stute Al-Borac zu mir, welche weisser als Milch ist, und eine Menschengestalt und Pferdekinnbacken hat. Jhre Augen funkelten, wie die Sterne, und die Strahlen, welche herausfuhren, waren viel waͤrmer und durchdringender, als die des Gestirns des Tages, wenn es am heftigsten brennt. Die Stute breitete ihre zwei grossen Adlersfluͤgel aus einander, ich naͤherte mich, und sie wollte mich umbringen. Aber Gabriel sprach zu ihr: Sey ruhig, o Borac! und gehorche dem Propheten Mahomet. Der Prophet Mahomet, erwiederte Borac, wird mich nicht besteigen duͤrfen, wenn du von ihm nicht erhaͤltst, daß er mich am Tage der Auferstehung in's Paradies eingehen laͤßt! Beruhige dich, Borac, war meine Antwort, du sollst mit in's Paradies eingehen! Borac ward darauf sehr ruhig. Jch schwang mich auf seinen Ruͤcken, und schneller als der Bliz flog es dahin. Ein Augenblick, und ich sahe mich an dem geheiligten Thore des Tempels zu Jerusa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/61
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/61>, abgerufen am 07.05.2024.