Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
Unter allen Schwärmern älterer und neuerer Zeiten scheint mir Mahomet der sonderbarste, der auffallendste zu seyn. Der Glaube an seine Visionen dauert noch immer unter einem der größten Völker dieser Erde fort, und vielleicht ist es den Lesern des Magazins nicht unangenehm, eine kurze Darstellung seiner Visionen in diesem Journal zu finden, so wie es überhaupt den Werth dieser Zeitschrift vermehren würde, wenn darin mehrere Beiträge über die Schwärmereien vergangener Jahrhunderte, und nicht blos unserer Zeiten, aufgenommen werden sollten. Die Visionen des Mahomets, die ich aus Castilhon Essai sur les erreurs & les superstitions anciennes & modernes entlehnt habe, sind gewiß äusserst lächerlich und abgeschmackt; aber grade dieses Lächerliche und Abgeschmackte war der Grund, daß sie einen so grossen und bleibenden Eindruck auf die Araber machten. Aus alten und neuen Berichten über dieses Volk, ist es bekannt genug, wie es sich von je her durch eine glühende Phantasie, durch einen warmen Religionsenthusiasmus, und durch eine ausserordentliche Liebe zu fabelhaften Erzählungen ausgezeichnet habe. Die Araber konnten nicht glauben, daß ein Mensch solch
Unter allen Schwaͤrmern aͤlterer und neuerer Zeiten scheint mir Mahomet der sonderbarste, der auffallendste zu seyn. Der Glaube an seine Visionen dauert noch immer unter einem der groͤßten Voͤlker dieser Erde fort, und vielleicht ist es den Lesern des Magazins nicht unangenehm, eine kurze Darstellung seiner Visionen in diesem Journal zu finden, so wie es uͤberhaupt den Werth dieser Zeitschrift vermehren wuͤrde, wenn darin mehrere Beitraͤge uͤber die Schwaͤrmereien vergangener Jahrhunderte, und nicht blos unserer Zeiten, aufgenommen werden sollten. Die Visionen des Mahomets, die ich aus Castilhon Essai sur les erreurs & les superstitions anciennes & modernes entlehnt habe, sind gewiß aͤusserst laͤcherlich und abgeschmackt; aber grade dieses Laͤcherliche und Abgeschmackte war der Grund, daß sie einen so grossen und bleibenden Eindruck auf die Araber machten. Aus alten und neuen Berichten uͤber dieses Volk, ist es bekannt genug, wie es sich von je her durch eine gluͤhende Phantasie, durch einen warmen Religionsenthusiasmus, und durch eine ausserordentliche Liebe zu fabelhaften Erzaͤhlungen ausgezeichnet habe. Die Araber konnten nicht glauben, daß ein Mensch solch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0057" n="55"/><lb/> viel lernen koͤnnte, woraus die Art und Weise der Entstehungsart ihrer neuen schwaͤrmerischen Begriffe begreiflich wuͤrde.</p> <p>Unter allen Schwaͤrmern aͤlterer und neuerer Zeiten scheint mir <hi rendition="#b">Mahomet</hi> der sonderbarste, der auffallendste zu seyn. Der Glaube an seine Visionen dauert noch immer unter einem der groͤßten Voͤlker dieser Erde fort, und vielleicht ist es den Lesern des Magazins nicht unangenehm, eine kurze Darstellung seiner Visionen in diesem Journal zu finden, so wie es uͤberhaupt den Werth dieser Zeitschrift vermehren wuͤrde, wenn darin mehrere Beitraͤge uͤber die Schwaͤrmereien vergangener Jahrhunderte, und nicht blos unserer Zeiten, aufgenommen werden sollten.</p> <p>Die Visionen des Mahomets, die ich aus <hi rendition="#aq">Castilhon Essai sur les erreurs & les superstitions anciennes & modernes</hi> entlehnt habe, sind gewiß aͤusserst laͤcherlich und abgeschmackt; aber grade dieses Laͤcherliche und Abgeschmackte war der Grund, daß sie einen so grossen und bleibenden Eindruck auf die Araber machten. Aus alten und neuen Berichten uͤber dieses Volk, ist es bekannt genug, wie es sich von je her durch eine gluͤhende Phantasie, durch einen warmen Religionsenthusiasmus, und durch eine ausserordentliche Liebe zu fabelhaften Erzaͤhlungen ausgezeichnet habe. Die Araber konnten nicht glauben, daß ein Mensch solch<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0057]
viel lernen koͤnnte, woraus die Art und Weise der Entstehungsart ihrer neuen schwaͤrmerischen Begriffe begreiflich wuͤrde.
Unter allen Schwaͤrmern aͤlterer und neuerer Zeiten scheint mir Mahomet der sonderbarste, der auffallendste zu seyn. Der Glaube an seine Visionen dauert noch immer unter einem der groͤßten Voͤlker dieser Erde fort, und vielleicht ist es den Lesern des Magazins nicht unangenehm, eine kurze Darstellung seiner Visionen in diesem Journal zu finden, so wie es uͤberhaupt den Werth dieser Zeitschrift vermehren wuͤrde, wenn darin mehrere Beitraͤge uͤber die Schwaͤrmereien vergangener Jahrhunderte, und nicht blos unserer Zeiten, aufgenommen werden sollten.
Die Visionen des Mahomets, die ich aus Castilhon Essai sur les erreurs & les superstitions anciennes & modernes entlehnt habe, sind gewiß aͤusserst laͤcherlich und abgeschmackt; aber grade dieses Laͤcherliche und Abgeschmackte war der Grund, daß sie einen so grossen und bleibenden Eindruck auf die Araber machten. Aus alten und neuen Berichten uͤber dieses Volk, ist es bekannt genug, wie es sich von je her durch eine gluͤhende Phantasie, durch einen warmen Religionsenthusiasmus, und durch eine ausserordentliche Liebe zu fabelhaften Erzaͤhlungen ausgezeichnet habe. Die Araber konnten nicht glauben, daß ein Mensch solch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/57 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/57>, abgerufen am 16.02.2025. |