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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

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Kugeln darin fand, machte diese Entdeckung auf seine Seele solch einen starken Eindruck, daß er auf der Stelle den ausserordentlichen Entschluß faßte, sich völlig von der Welt zu entfernen; und in diesem Entschlusse verharrte er auch bis an's Ende seines Lebens.

Er wählte sich ein sehr hübsches Haus unten in Grubstreet, (einer Strasse in London,) schaffte fast alle seine Leute ab, ließ das Haus nach seinen Jdeen einrichten, und wählte davon drei Zimmer für sich: das eine zum Speisezimmer, das zweite zur Wohnstube, und das dritte zum Studirzimmer. Da sie eins in's andre gingen, so pflegte er, wenn sein Essen von einer alten Dienstmagd auf den Tisch gesezt wurde, sich so lange in sein Wohnzimmer zu begeben; und wenn man hier sein Bette machte, ging er so lange in sein Studirzimmer, bis alles fertig war. Aus diesen Zimmern kam er von der Zeit an, da er sie bezog, nie wieder heraus, bis er vierzig Jahre hernach auf den Schultern der Leichenträger herausgebracht wurde. Auch bekamen in dieser ganzen Zeit weder sein Schwiegersohn, seine Tochter, sein Enkel, Bruder, seine Schwester, noch irgend einer seiner Verwandten, jung oder alt, reich oder arm, kurz kein Mensch ihn wieder zu sehen, ausser jene alte Dienstmagd, die Elisabeth hieß. Sie allein machte sein Kaminfeuer, machte sein Bett, brachte ihm zu essen, und reinigte seine Zimmer. Auch sie sah ihn nur äusserst selten, nur


Kugeln darin fand, machte diese Entdeckung auf seine Seele solch einen starken Eindruck, daß er auf der Stelle den ausserordentlichen Entschluß faßte, sich voͤllig von der Welt zu entfernen; und in diesem Entschlusse verharrte er auch bis an's Ende seines Lebens.

Er waͤhlte sich ein sehr huͤbsches Haus unten in Grubstreet, (einer Strasse in London,) schaffte fast alle seine Leute ab, ließ das Haus nach seinen Jdeen einrichten, und waͤhlte davon drei Zimmer fuͤr sich: das eine zum Speisezimmer, das zweite zur Wohnstube, und das dritte zum Studirzimmer. Da sie eins in's andre gingen, so pflegte er, wenn sein Essen von einer alten Dienstmagd auf den Tisch gesezt wurde, sich so lange in sein Wohnzimmer zu begeben; und wenn man hier sein Bette machte, ging er so lange in sein Studirzimmer, bis alles fertig war. Aus diesen Zimmern kam er von der Zeit an, da er sie bezog, nie wieder heraus, bis er vierzig Jahre hernach auf den Schultern der Leichentraͤger herausgebracht wurde. Auch bekamen in dieser ganzen Zeit weder sein Schwiegersohn, seine Tochter, sein Enkel, Bruder, seine Schwester, noch irgend einer seiner Verwandten, jung oder alt, reich oder arm, kurz kein Mensch ihn wieder zu sehen, ausser jene alte Dienstmagd, die Elisabeth hieß. Sie allein machte sein Kaminfeuer, machte sein Bett, brachte ihm zu essen, und reinigte seine Zimmer. Auch sie sah ihn nur aͤusserst selten, nur

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[28/0030] Kugeln darin fand, machte diese Entdeckung auf seine Seele solch einen starken Eindruck, daß er auf der Stelle den ausserordentlichen Entschluß faßte, sich voͤllig von der Welt zu entfernen; und in diesem Entschlusse verharrte er auch bis an's Ende seines Lebens. Er waͤhlte sich ein sehr huͤbsches Haus unten in Grubstreet, (einer Strasse in London,) schaffte fast alle seine Leute ab, ließ das Haus nach seinen Jdeen einrichten, und waͤhlte davon drei Zimmer fuͤr sich: das eine zum Speisezimmer, das zweite zur Wohnstube, und das dritte zum Studirzimmer. Da sie eins in's andre gingen, so pflegte er, wenn sein Essen von einer alten Dienstmagd auf den Tisch gesezt wurde, sich so lange in sein Wohnzimmer zu begeben; und wenn man hier sein Bette machte, ging er so lange in sein Studirzimmer, bis alles fertig war. Aus diesen Zimmern kam er von der Zeit an, da er sie bezog, nie wieder heraus, bis er vierzig Jahre hernach auf den Schultern der Leichentraͤger herausgebracht wurde. Auch bekamen in dieser ganzen Zeit weder sein Schwiegersohn, seine Tochter, sein Enkel, Bruder, seine Schwester, noch irgend einer seiner Verwandten, jung oder alt, reich oder arm, kurz kein Mensch ihn wieder zu sehen, ausser jene alte Dienstmagd, die Elisabeth hieß. Sie allein machte sein Kaminfeuer, machte sein Bett, brachte ihm zu essen, und reinigte seine Zimmer. Auch sie sah ihn nur aͤusserst selten, nur

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/30>, abgerufen am 26.04.2024.