Jm vierzehnten Kapitel, virtutes et constantia überschrieben, redet Cardano, GirolamoCardan von seiner Beständigkeit im Glück und Unglück. "Jch habe, fährt er fort, zur Bewunderung andrer, meine unglücklichen Schicksale geduldig getragen, und bin in meinen glücklichen beständig der nämliche geblieben. Jch habe in meinem Glück meine Sitten nie geändert, bin nicht härter, ehrgeitziger, ungeduldiger geworden, habe die Armen nicht verachtet, habe meine alten Freunde nicht vergessen, habe mir im Umgange kein größres Ansehn gegeben, und keinen vornehmern Ton angenommen, habe nie köstlichere Kleider getragen, als ich zu der Rolle, die ich spielte, zu tragen genöthigt war. Jn traurigen Lagen meines Lebens bin ich aber doch von Natur nicht so standhaft geblieben, da ich oft Leiden tragen mußte, die meine Kräfte überstiegen; aber ich habe durch Kunst die Natur überwunden. Denn bei den größten Leiden meines Gemüths schlug ich mit einer Ruthe meine Schienbeine, biß mich heftig in den linken Arm, fastete, und machte mir durch Weinen Luft, wenn ich weinen konnte, denn oft konnte ich's nicht; stritte auch mit Vernunftgründen gegen meine Leiden, indem ich mir immer vorsagte: daß nichts neues unter der Sonne geschehe u.s.w. Oft bin ich auch, wenn meine Leiden zu groß wurden, durch die Güte des Himmels, und gleichsam durch ein Wunderwerk davon befreit worden, wie ich unten gesagt
Jm vierzehnten Kapitel, virtutes et constantia uͤberschrieben, redet Cardano, GirolamoCardan von seiner Bestaͤndigkeit im Gluͤck und Ungluͤck. »Jch habe, faͤhrt er fort, zur Bewunderung andrer, meine ungluͤcklichen Schicksale geduldig getragen, und bin in meinen gluͤcklichen bestaͤndig der naͤmliche geblieben. Jch habe in meinem Gluͤck meine Sitten nie geaͤndert, bin nicht haͤrter, ehrgeitziger, ungeduldiger geworden, habe die Armen nicht verachtet, habe meine alten Freunde nicht vergessen, habe mir im Umgange kein groͤßres Ansehn gegeben, und keinen vornehmern Ton angenommen, habe nie koͤstlichere Kleider getragen, als ich zu der Rolle, die ich spielte, zu tragen genoͤthigt war. Jn traurigen Lagen meines Lebens bin ich aber doch von Natur nicht so standhaft geblieben, da ich oft Leiden tragen mußte, die meine Kraͤfte uͤberstiegen; aber ich habe durch Kunst die Natur uͤberwunden. Denn bei den groͤßten Leiden meines Gemuͤths schlug ich mit einer Ruthe meine Schienbeine, biß mich heftig in den linken Arm, fastete, und machte mir durch Weinen Luft, wenn ich weinen konnte, denn oft konnte ich's nicht; stritte auch mit Vernunftgruͤnden gegen meine Leiden, indem ich mir immer vorsagte: daß nichts neues unter der Sonne geschehe u.s.w. Oft bin ich auch, wenn meine Leiden zu groß wurden, durch die Guͤte des Himmels, und gleichsam durch ein Wunderwerk davon befreit worden, wie ich unten gesagt
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Jm vierzehnten Kapitel, virtutes et constantia uͤberschrieben, redet Cardan von seiner Bestaͤndigkeit im Gluͤck und Ungluͤck. »Jch habe, faͤhrt er fort, zur Bewunderung andrer, meine ungluͤcklichen Schicksale geduldig getragen, und bin in meinen gluͤcklichen bestaͤndig der naͤmliche geblieben. Jch habe in meinem Gluͤck meine Sitten nie geaͤndert, bin nicht haͤrter, ehrgeitziger, ungeduldiger geworden, habe die Armen nicht verachtet, habe meine alten Freunde nicht vergessen, habe mir im Umgange kein groͤßres Ansehn gegeben, und keinen vornehmern Ton angenommen, habe nie koͤstlichere Kleider getragen, als ich zu der Rolle, die ich spielte, zu tragen genoͤthigt war. Jn traurigen Lagen meines Lebens bin ich aber doch von Natur nicht so standhaft geblieben, da ich oft Leiden tragen mußte, die meine Kraͤfte uͤberstiegen; aber ich habe durch Kunst die Natur uͤberwunden. Denn bei den groͤßten Leiden meines Gemuͤths schlug ich mit einer Ruthe meine Schienbeine, biß mich heftig in den linken Arm, fastete, und machte mir durch Weinen Luft, wenn ich weinen konnte, denn oft konnte ich's nicht; stritte auch mit Vernunftgruͤnden gegen meine Leiden, indem ich mir immer vorsagte: daß nichts neues unter der Sonne geschehe u.s.w. Oft bin ich auch, wenn meine Leiden zu groß wurden, durch die Guͤte des Himmels, und gleichsam durch ein Wunderwerk davon befreit worden, wie ich unten gesagt
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/120>, abgerufen am 27.07.2024.
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