Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0118" n="116"/><lb/> Mein Gang ist ungleich, bald schnell, bald wieder langsam. Bin wenig gottesfuͤrchtig, und kann meine Zunge nicht im Zaum halten, bin auf's hoͤchste zum Zorn geneigt, so daß es mich oft gereut, und ich einen Abscheu dafuͤr habe.« – – – Nach einer Episode, die ich uͤbergehe, faͤhrt er so fort: <hi rendition="#b">»Jch weiß, daß dies einer meiner groͤssten und sonderbarsten Fehler ist, daß ich von nichts lieber rede, als was den Zuhoͤrenden mißfaͤllt. Mit Wissen und Willen fahre ich hierin fort,</hi> und es ist mir nicht unbekannt, wie viel Feinde mir diese Eigenschaft zuzieht. So viel vermag die Natur durch eine lange Gewohnheit! Doch vermeide ich jenen Fehler bei meinen Wohlthaͤtern und den Großen. Jch liebe die Einsamkeit so viel es moͤglich ist, obgleich <hi rendition="#b">Aristoteles</hi> diese Lebensart verworfen und gesagt hat, daß ein Einsiedler entweder ein Thier, oder eine Gottheit ist. Aus Schwachherzigkeit, und zu meinem nicht geringen Schaden, behalte ich das Gesinde bei, von welchem ich weiß, daß es mir nicht nur unnuͤz sey, sondern sogar zu meiner Schande gereicht: ja ich kann mich nicht einmal von den mir geschenkten Thieren, als Boͤcken, Laͤmmern, Haasen, Kaninchen, Stoͤrchen trennen, so daß sie mir das ganze Haus besudeln. Jch habe wenig, und vornehmlich keine getreuen, Freunde gehabt. Jch habe darin viel und selbst die groͤßten Fehler begangen, indem ich mich zur rechten und unrechten Zeit in alles mi-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0118]
Mein Gang ist ungleich, bald schnell, bald wieder langsam. Bin wenig gottesfuͤrchtig, und kann meine Zunge nicht im Zaum halten, bin auf's hoͤchste zum Zorn geneigt, so daß es mich oft gereut, und ich einen Abscheu dafuͤr habe.« – – – Nach einer Episode, die ich uͤbergehe, faͤhrt er so fort: »Jch weiß, daß dies einer meiner groͤssten und sonderbarsten Fehler ist, daß ich von nichts lieber rede, als was den Zuhoͤrenden mißfaͤllt. Mit Wissen und Willen fahre ich hierin fort, und es ist mir nicht unbekannt, wie viel Feinde mir diese Eigenschaft zuzieht. So viel vermag die Natur durch eine lange Gewohnheit! Doch vermeide ich jenen Fehler bei meinen Wohlthaͤtern und den Großen. Jch liebe die Einsamkeit so viel es moͤglich ist, obgleich Aristoteles diese Lebensart verworfen und gesagt hat, daß ein Einsiedler entweder ein Thier, oder eine Gottheit ist. Aus Schwachherzigkeit, und zu meinem nicht geringen Schaden, behalte ich das Gesinde bei, von welchem ich weiß, daß es mir nicht nur unnuͤz sey, sondern sogar zu meiner Schande gereicht: ja ich kann mich nicht einmal von den mir geschenkten Thieren, als Boͤcken, Laͤmmern, Haasen, Kaninchen, Stoͤrchen trennen, so daß sie mir das ganze Haus besudeln. Jch habe wenig, und vornehmlich keine getreuen, Freunde gehabt. Jch habe darin viel und selbst die groͤßten Fehler begangen, indem ich mich zur rechten und unrechten Zeit in alles mi-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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