Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.
Mögten wir doch einmal aus solchen gehäuften, bewährten Erfahrungen ein zuverläßiges Resultat ziehen können, das uns so vielen Aufschluß in der Seelenkunde geben würde! Jch habe im 3ten Stück des 4ten Bandes eine Todesahndung zu erklären gesucht, die aus einem vorhergehenden lebhaften Traume entstand, und vermöge der Einbildungskraft wirklich Zerrüttung und Tod brachte -- das mir bisher noch ziemlich genugthuend bleibt; aber -- freylich fallen mir auch wieder andere Phänomene auf, die mir eben so unerklärbar scheinen, als ein übermenschliches Räthsel. Hier scheint sich der Schwung unserer Einbildungskraft wirklich in übermenschliche Sphären zu erheben, und übermenschliche Dinge zu verrichten; das heißt, wenn sie wirklich geschehen, solche -- deren Kräfte wir bisher mit unserer Einsicht noch nicht entdeckt haben.
Moͤgten wir doch einmal aus solchen gehaͤuften, bewaͤhrten Erfahrungen ein zuverlaͤßiges Resultat ziehen koͤnnen, das uns so vielen Aufschluß in der Seelenkunde geben wuͤrde! Jch habe im 3ten Stuͤck des 4ten Bandes eine Todesahndung zu erklaͤren gesucht, die aus einem vorhergehenden lebhaften Traume entstand, und vermoͤge der Einbildungskraft wirklich Zerruͤttung und Tod brachte — das mir bisher noch ziemlich genugthuend bleibt; aber — freylich fallen mir auch wieder andere Phaͤnomene auf, die mir eben so unerklaͤrbar scheinen, als ein uͤbermenschliches Raͤthsel. Hier scheint sich der Schwung unserer Einbildungskraft wirklich in uͤbermenschliche Sphaͤren zu erheben, und uͤbermenschliche Dinge zu verrichten; das heißt, wenn sie wirklich geschehen, solche — deren Kraͤfte wir bisher mit unserer Einsicht noch nicht entdeckt haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0092" n="92"/><lb/> seitiger und genauerer Untersuchung beobachten; die nie gewoͤhnt sind, mit wundersichtiger Leichtglaͤubigkeit etwas zum Beweise einer noch so zweifelhaften Wahrheit an den Tag zu geben, ohne aus ganzer Seele Buͤrge dafuͤr seyn zu koͤnnen, wie ich gleich zwey solche Beobachtungen anfuͤhren werde; wir haben, sag ich, <hi rendition="#b">zu viele</hi> und <hi rendition="#b">zu wichtige</hi> dergleichen Erscheinungen, als daß wir so gradezu die Existenz vorbenannter Vermoͤgen in der Seele wegraisonniren koͤnnten.</p> <p>Moͤgten wir doch einmal aus solchen gehaͤuften, bewaͤhrten Erfahrungen ein <hi rendition="#b">zuverlaͤßiges Resultat</hi> ziehen koͤnnen, das uns so vielen Aufschluß in der Seelenkunde geben wuͤrde! Jch habe im 3ten Stuͤck des 4ten Bandes eine Todesahndung zu erklaͤren gesucht, die aus einem vorhergehenden lebhaften Traume entstand, und vermoͤge der Einbildungskraft wirklich Zerruͤttung und Tod brachte — das mir bisher noch ziemlich genugthuend bleibt; aber — freylich fallen mir auch wieder andere Phaͤnomene auf, die mir eben so <hi rendition="#b">unerklaͤrbar</hi> scheinen, als ein uͤbermenschliches Raͤthsel. Hier scheint sich der Schwung unserer <hi rendition="#b">Einbildungskraft</hi> wirklich in uͤbermenschliche Sphaͤren zu erheben, und uͤbermenschliche Dinge zu verrichten; das heißt, wenn sie wirklich geschehen, solche — deren Kraͤfte wir bisher mit unserer Einsicht noch nicht entdeckt haben.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0092]
seitiger und genauerer Untersuchung beobachten; die nie gewoͤhnt sind, mit wundersichtiger Leichtglaͤubigkeit etwas zum Beweise einer noch so zweifelhaften Wahrheit an den Tag zu geben, ohne aus ganzer Seele Buͤrge dafuͤr seyn zu koͤnnen, wie ich gleich zwey solche Beobachtungen anfuͤhren werde; wir haben, sag ich, zu viele und zu wichtige dergleichen Erscheinungen, als daß wir so gradezu die Existenz vorbenannter Vermoͤgen in der Seele wegraisonniren koͤnnten.
Moͤgten wir doch einmal aus solchen gehaͤuften, bewaͤhrten Erfahrungen ein zuverlaͤßiges Resultat ziehen koͤnnen, das uns so vielen Aufschluß in der Seelenkunde geben wuͤrde! Jch habe im 3ten Stuͤck des 4ten Bandes eine Todesahndung zu erklaͤren gesucht, die aus einem vorhergehenden lebhaften Traume entstand, und vermoͤge der Einbildungskraft wirklich Zerruͤttung und Tod brachte — das mir bisher noch ziemlich genugthuend bleibt; aber — freylich fallen mir auch wieder andere Phaͤnomene auf, die mir eben so unerklaͤrbar scheinen, als ein uͤbermenschliches Raͤthsel. Hier scheint sich der Schwung unserer Einbildungskraft wirklich in uͤbermenschliche Sphaͤren zu erheben, und uͤbermenschliche Dinge zu verrichten; das heißt, wenn sie wirklich geschehen, solche — deren Kraͤfte wir bisher mit unserer Einsicht noch nicht entdeckt haben.
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