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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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Jch übergehe den Gebrauch der Zeichensprache beym Unterricht der Taubstummen. Nur was insonderheit den Einwurf betrift, wegen der Nichtunterscheidung des Sinnlichen -- Sichtbaren vom Abstrakten, und der durch dieselbe Zeichen bedeuteten Sache, bemerkte ich für jetzt das einzige: kann man mit dem Zeichen des unmittelbar bezeichneten nicht noch ein bestimmtes Unterscheidungszeichen von dem mittelbaren und abstrakten Begriffe verbinden, oder auch mit den letztern? Dasselbe Unterscheidungszeichen kann allgemein gemacht und mit jedem dieser Begriffe ohne Abweichung verbunden werden. Hieraus erhellet auch, daß man auch abstrakte Begriffe durch dergleichen pantomimische Zeichen ausdrücken kann; und warum nicht auch ohne das angegebene Hülfsmittel? Denn jeder abstrakte Begriff entstehet aus sinnlichen, die man vergleicht, deren ähnliche -- nothwendige oder allgemeine Bestimmungen man zusammendenkt, und daraus einen allgemeinen oder abstrakten Begriff bildet. Könnte man also nicht auch durch pantomimische Zeichen die Folgen und Entwicklung dieser einzelnen Begriffe und so den Weg der Abstraktion bezeichnen, und dann durch ein einziges Zeichen, wie durch ein einziges Wort den Jnbegriff dieser Entwicklungen oder den ganzen abgezogenen Begriff ausdrücken? Es ist daher nicht eben nothwendig, ihn erst metaphorisch und bilderisch in der Zeichensprache zu erklären.



Jch uͤbergehe den Gebrauch der Zeichensprache beym Unterricht der Taubstummen. Nur was insonderheit den Einwurf betrift, wegen der Nichtunterscheidung des Sinnlichen — Sichtbaren vom Abstrakten, und der durch dieselbe Zeichen bedeuteten Sache, bemerkte ich fuͤr jetzt das einzige: kann man mit dem Zeichen des unmittelbar bezeichneten nicht noch ein bestimmtes Unterscheidungszeichen von dem mittelbaren und abstrakten Begriffe verbinden, oder auch mit den letztern? Dasselbe Unterscheidungszeichen kann allgemein gemacht und mit jedem dieser Begriffe ohne Abweichung verbunden werden. Hieraus erhellet auch, daß man auch abstrakte Begriffe durch dergleichen pantomimische Zeichen ausdruͤcken kann; und warum nicht auch ohne das angegebene Huͤlfsmittel? Denn jeder abstrakte Begriff entstehet aus sinnlichen, die man vergleicht, deren aͤhnliche — nothwendige oder allgemeine Bestimmungen man zusammendenkt, und daraus einen allgemeinen oder abstrakten Begriff bildet. Koͤnnte man also nicht auch durch pantomimische Zeichen die Folgen und Entwicklung dieser einzelnen Begriffe und so den Weg der Abstraktion bezeichnen, und dann durch ein einziges Zeichen, wie durch ein einziges Wort den Jnbegriff dieser Entwicklungen oder den ganzen abgezogenen Begriff ausdruͤcken? Es ist daher nicht eben nothwendig, ihn erst metaphorisch und bilderisch in der Zeichensprache zu erklaͤren.


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[88/0088] Jch uͤbergehe den Gebrauch der Zeichensprache beym Unterricht der Taubstummen. Nur was insonderheit den Einwurf betrift, wegen der Nichtunterscheidung des Sinnlichen — Sichtbaren vom Abstrakten, und der durch dieselbe Zeichen bedeuteten Sache, bemerkte ich fuͤr jetzt das einzige: kann man mit dem Zeichen des unmittelbar bezeichneten nicht noch ein bestimmtes Unterscheidungszeichen von dem mittelbaren und abstrakten Begriffe verbinden, oder auch mit den letztern? Dasselbe Unterscheidungszeichen kann allgemein gemacht und mit jedem dieser Begriffe ohne Abweichung verbunden werden. Hieraus erhellet auch, daß man auch abstrakte Begriffe durch dergleichen pantomimische Zeichen ausdruͤcken kann; und warum nicht auch ohne das angegebene Huͤlfsmittel? Denn jeder abstrakte Begriff entstehet aus sinnlichen, die man vergleicht, deren aͤhnliche — nothwendige oder allgemeine Bestimmungen man zusammendenkt, und daraus einen allgemeinen oder abstrakten Begriff bildet. Koͤnnte man also nicht auch durch pantomimische Zeichen die Folgen und Entwicklung dieser einzelnen Begriffe und so den Weg der Abstraktion bezeichnen, und dann durch ein einziges Zeichen, wie durch ein einziges Wort den Jnbegriff dieser Entwicklungen oder den ganzen abgezogenen Begriff ausdruͤcken? Es ist daher nicht eben nothwendig, ihn erst metaphorisch und bilderisch in der Zeichensprache zu erklaͤren.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/88>, abgerufen am 28.04.2024.