Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.Nach diesen allgemeinen vorausgeschickten Sätzen, will ich auf einzelne psychologische Phänomene kommen, welche man bey den Neidischen und seiner Leidenschaft bald mehr bald weniger zu bemerken Gelegenheit hat. a) Der eigentliche Neid setzt eine gewisse Gleichheit oder Aehnlichkeit des Standes, der Geburt, der Lebensart und des Geschlechts in den meisten Fällen voraus, wenn er gegen einen andern entstehen soll, weil nehmlich in diesen Fällen nicht nur die menschlichen Wünsche und Pläne am leichtesten collidiren, sondern weil wir auch das Verdienst des andern genauer abwägen zu können glauben. Wir beneiden eigentlich einen Monarchen, der viele Heere und Länder hat, nicht, weil jene Gleichheit oder Aehnlichkeit fehlt, weil wir sein Glück unmöglich erreichen können, und weil unsere Ehre, Wünsche und Geschäfte selten mit den seinigen in Collision kommen, oder auch weil ein gewisses helles, oder auch dumpfes Gefühl von Ehrerbietung den Neid zurückhält; hingegen beneidet der Gelehrte den Gelehrten, der Künstler den Künstler, der Handwerker den Handwerker, weil tausend Fälle zusammentreffen können, wo sich ein beiderseitiges Jnteresse durchkreuzt, und einer dem andern im Wege steht. Jch rechne zu diesem Handwerksneide; -- ein Wort, welches ich eben so gut von dem Gelehrten Neide gebrauchen kann etc. -- vornehmlich eine Nach diesen allgemeinen vorausgeschickten Saͤtzen, will ich auf einzelne psychologische Phaͤnomene kommen, welche man bey den Neidischen und seiner Leidenschaft bald mehr bald weniger zu bemerken Gelegenheit hat. a) Der eigentliche Neid setzt eine gewisse Gleichheit oder Aehnlichkeit des Standes, der Geburt, der Lebensart und des Geschlechts in den meisten Faͤllen voraus, wenn er gegen einen andern entstehen soll, weil nehmlich in diesen Faͤllen nicht nur die menschlichen Wuͤnsche und Plaͤne am leichtesten collidiren, sondern weil wir auch das Verdienst des andern genauer abwaͤgen zu koͤnnen glauben. Wir beneiden eigentlich einen Monarchen, der viele Heere und Laͤnder hat, nicht, weil jene Gleichheit oder Aehnlichkeit fehlt, weil wir sein Gluͤck unmoͤglich erreichen koͤnnen, und weil unsere Ehre, Wuͤnsche und Geschaͤfte selten mit den seinigen in Collision kommen, oder auch weil ein gewisses helles, oder auch dumpfes Gefuͤhl von Ehrerbietung den Neid zuruͤckhaͤlt; hingegen beneidet der Gelehrte den Gelehrten, der Kuͤnstler den Kuͤnstler, der Handwerker den Handwerker, weil tausend Faͤlle zusammentreffen koͤnnen, wo sich ein beiderseitiges Jnteresse durchkreuzt, und einer dem andern im Wege steht. Jch rechne zu diesem Handwerksneide; — ein Wort, welches ich eben so gut von dem Gelehrten Neide gebrauchen kann etc. — vornehmlich eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0064" n="64"/><lb/> <p>Nach diesen allgemeinen vorausgeschickten Saͤtzen, will ich auf einzelne psychologische <choice><corr>Phaͤnomene</corr><sic>Phoͤnomene</sic></choice> kommen, welche man bey den <hi rendition="#b">Neidischen</hi> und seiner Leidenschaft bald mehr bald weniger zu bemerken Gelegenheit hat.</p> <p>a) Der eigentliche Neid setzt eine gewisse <hi rendition="#b">Gleichheit</hi> oder <hi rendition="#b">Aehnlichkeit</hi> des <hi rendition="#b">Standes,</hi> der <hi rendition="#b">Geburt,</hi> der <hi rendition="#b">Lebensart</hi> und des <hi rendition="#b">Geschlechts</hi> in den meisten Faͤllen voraus, wenn er gegen einen andern entstehen soll, weil nehmlich in diesen Faͤllen nicht nur die menschlichen Wuͤnsche und <choice><corr>Plaͤne</corr><sic>Plane</sic></choice> am leichtesten collidiren, sondern weil wir auch das Verdienst des andern genauer abwaͤgen zu koͤnnen glauben. Wir beneiden eigentlich einen Monarchen, der viele Heere und Laͤnder hat, nicht, weil jene Gleichheit oder Aehnlichkeit fehlt, weil wir sein Gluͤck unmoͤglich erreichen koͤnnen, und weil unsere Ehre, Wuͤnsche und Geschaͤfte selten mit den seinigen in Collision kommen, oder auch weil ein gewisses helles, oder auch dumpfes Gefuͤhl von Ehrerbietung den Neid zuruͤckhaͤlt; hingegen beneidet der Gelehrte den Gelehrten, der Kuͤnstler den Kuͤnstler, der Handwerker den Handwerker, weil tausend Faͤlle zusammentreffen koͤnnen, wo sich ein <hi rendition="#b">beiderseitiges</hi> Jnteresse durchkreuzt, und einer dem andern im Wege steht. Jch rechne zu diesem Handwerksneide; — ein Wort, welches ich eben so gut von dem Gelehrten Neide gebrauchen kann etc. — vornehmlich eine<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0064]
Nach diesen allgemeinen vorausgeschickten Saͤtzen, will ich auf einzelne psychologische Phaͤnomene kommen, welche man bey den Neidischen und seiner Leidenschaft bald mehr bald weniger zu bemerken Gelegenheit hat.
a) Der eigentliche Neid setzt eine gewisse Gleichheit oder Aehnlichkeit des Standes, der Geburt, der Lebensart und des Geschlechts in den meisten Faͤllen voraus, wenn er gegen einen andern entstehen soll, weil nehmlich in diesen Faͤllen nicht nur die menschlichen Wuͤnsche und Plaͤne am leichtesten collidiren, sondern weil wir auch das Verdienst des andern genauer abwaͤgen zu koͤnnen glauben. Wir beneiden eigentlich einen Monarchen, der viele Heere und Laͤnder hat, nicht, weil jene Gleichheit oder Aehnlichkeit fehlt, weil wir sein Gluͤck unmoͤglich erreichen koͤnnen, und weil unsere Ehre, Wuͤnsche und Geschaͤfte selten mit den seinigen in Collision kommen, oder auch weil ein gewisses helles, oder auch dumpfes Gefuͤhl von Ehrerbietung den Neid zuruͤckhaͤlt; hingegen beneidet der Gelehrte den Gelehrten, der Kuͤnstler den Kuͤnstler, der Handwerker den Handwerker, weil tausend Faͤlle zusammentreffen koͤnnen, wo sich ein beiderseitiges Jnteresse durchkreuzt, und einer dem andern im Wege steht. Jch rechne zu diesem Handwerksneide; — ein Wort, welches ich eben so gut von dem Gelehrten Neide gebrauchen kann etc. — vornehmlich eine
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