Seite 47. steht ein Aufsatz des Herrn Fischer, Ernst GottfriedFischers, Stärke des Selbstbewußtseyns benennt, worin einige wichtige Bemerkungen für die Seelenlehre vorkommen, obgleich das erzählte Factum selbst nichts weiter, als das bekannte Alpdrücken ist. Daß die Seele bey einer gänzlichen Verwirrung der Vorstellungs- und Einbildungskraft dennoch ein ziemlich deutliches Bewußtseyn von sich selbst und ihrem Zustande haben könne, -- ist freylich ein paradoxer Satz, der mir äußerst unwahrscheinlich vorkommt. Bey einer gänzlichen Verwirrung unsrer Jdeen, -- oder bey der gänzlichen Unfähigkeit der Seele ihre Begriffe zu ordnen, und mit Deutlichkeit anzuschauen, läßt sich kein deutliches Bewußtseyn derselben von sich und ihrem Zustande denken, wenigstens in dem Augenblick der gänzlichen Verwirrung nicht. Aber während dieser Verwirrung kann es gewisse Lichtpuncte geben, wo die Seele zu sich selbst kommt, -- und in solchen Jntervallen kann man sich dann leicht irren, daß man die Gefühle während denselben durch Selbsttäuschung in den Zustand einer gänzlichen (vielleicht nur gänzlich geglaubten) Verwirrung der Denkkraft hinüberträgt.
Dergleichen Zustände sind überhaupt in der menschlichen Seele nicht selten, wo sie aus einer plözlichen Confusion der Jdeen in ein eben so schnelles starkes Bewußtseyn ihrer selbst, und umgekehrt zurückfällt. Jm ersten Fall pflegt sie sich denn nicht
Seite 47. steht ein Aufsatz des Herrn Fischer, Ernst GottfriedFischers, Staͤrke des Selbstbewußtseyns benennt, worin einige wichtige Bemerkungen fuͤr die Seelenlehre vorkommen, obgleich das erzaͤhlte Factum selbst nichts weiter, als das bekannte Alpdruͤcken ist. Daß die Seele bey einer gaͤnzlichen Verwirrung der Vorstellungs- und Einbildungskraft dennoch ein ziemlich deutliches Bewußtseyn von sich selbst und ihrem Zustande haben koͤnne, — ist freylich ein paradoxer Satz, der mir aͤußerst unwahrscheinlich vorkommt. Bey einer gaͤnzlichen Verwirrung unsrer Jdeen, — oder bey der gaͤnzlichen Unfaͤhigkeit der Seele ihre Begriffe zu ordnen, und mit Deutlichkeit anzuschauen, laͤßt sich kein deutliches Bewußtseyn derselben von sich und ihrem Zustande denken, wenigstens in dem Augenblick der gaͤnzlichen Verwirrung nicht. Aber waͤhrend dieser Verwirrung kann es gewisse Lichtpuncte geben, wo die Seele zu sich selbst kommt, — und in solchen Jntervallen kann man sich dann leicht irren, daß man die Gefuͤhle waͤhrend denselben durch Selbsttaͤuschung in den Zustand einer gaͤnzlichen (vielleicht nur gaͤnzlich geglaubten) Verwirrung der Denkkraft hinuͤbertraͤgt.
Dergleichen Zustaͤnde sind uͤberhaupt in der menschlichen Seele nicht selten, wo sie aus einer ploͤzlichen Confusion der Jdeen in ein eben so schnelles starkes Bewußtseyn ihrer selbst, und umgekehrt zuruͤckfaͤllt. Jm ersten Fall pflegt sie sich denn nicht
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Seite 47. steht ein Aufsatz des Herrn Fischers, Staͤrke des Selbstbewußtseyns benennt, worin einige wichtige Bemerkungen fuͤr die Seelenlehre vorkommen, obgleich das erzaͤhlte Factum selbst nichts weiter, als das bekannte Alpdruͤcken ist. Daß die Seele bey einer gaͤnzlichen Verwirrung der Vorstellungs- und Einbildungskraft dennoch ein ziemlich deutliches Bewußtseyn von sich selbst und ihrem Zustande haben koͤnne, — ist freylich ein paradoxer Satz, der mir aͤußerst unwahrscheinlich vorkommt. Bey einer gaͤnzlichen Verwirrung unsrer Jdeen, — oder bey der gaͤnzlichen Unfaͤhigkeit der Seele ihre Begriffe zu ordnen, und mit Deutlichkeit anzuschauen, laͤßt sich kein deutliches Bewußtseyn derselben von sich und ihrem Zustande denken, wenigstens in dem Augenblick der gaͤnzlichen Verwirrung nicht. Aber waͤhrend dieser Verwirrung kann es gewisse Lichtpuncte geben, wo die Seele zu sich selbst kommt, — und in solchen Jntervallen kann man sich dann leicht irren, daß man die Gefuͤhle waͤhrend denselben durch Selbsttaͤuschung in den Zustand einer gaͤnzlichen (vielleicht nur gaͤnzlich geglaubten) Verwirrung der Denkkraft hinuͤbertraͤgt.
Dergleichen Zustaͤnde sind uͤberhaupt in der menschlichen Seele nicht selten, wo sie aus einer ploͤzlichen Confusion der Jdeen in ein eben so schnelles starkes Bewußtseyn ihrer selbst, und umgekehrt zuruͤckfaͤllt. Jm ersten Fall pflegt sie sich denn nicht
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/6>, abgerufen am 16.02.2025.
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