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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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Diese und mehrere physische und psychologische -- zum Theil auch politische Gründe haben vornehmlich der Schwärmerey in unsern Tagen Thür und Thor eröffnet, und man hat sehr Ursach, auf den geheimen, im Dunkeln schleichenden Fortgang dieser Pestilenz aufmerksam zu seyn. Der ruhige Denker wird freylich bey der zunehmenden Ausbreitung derselben, die durch so viele besondere, aber sehr thätige Secten befördert wird, immer Muth behalten; er wird sich damit trösten, daß die gesunde Vernunft und die ächte Tugend sich eigentlich nie ganz verlohren, sondern immer ihre Verehrer und Beförderer gefunden habe --; aber beunruhigen muß es ihn doch allerdings, wenn er bedenkt, wie schnell sich jene Krankheit auszubreiten anfängt, wie mächtige Anhänger, wie feine listige Prediger sie hat, und wie sehr sie sich zum Geiste unseres Jahrhunderts, unsrer Sitten und selbst zur Polemik unsrer Tage paßt, unter deren Streitigkeiten sie sich immer mehr und mehr ausdehnen wird. --

Die Schwärmer sind im gewissen Betracht, zumal wenn sie Beredsamkeit mit List verbinden, wie dergleichen mehrere bekannt sind, und wenn sie mit lebhaft empfindenden Leuten zu thun haben, unwiderstehliche Verführer. Die Sprache der Ruhe, Zufriedenheit und Gleichmüthigkeit, die aus ihren Worten und Mienen hervorleuchtet, und von der man so leicht auf eine innere glückliche Stille des


Diese und mehrere physische und psychologische — zum Theil auch politische Gruͤnde haben vornehmlich der Schwaͤrmerey in unsern Tagen Thuͤr und Thor eroͤffnet, und man hat sehr Ursach, auf den geheimen, im Dunkeln schleichenden Fortgang dieser Pestilenz aufmerksam zu seyn. Der ruhige Denker wird freylich bey der zunehmenden Ausbreitung derselben, die durch so viele besondere, aber sehr thaͤtige Secten befoͤrdert wird, immer Muth behalten; er wird sich damit troͤsten, daß die gesunde Vernunft und die aͤchte Tugend sich eigentlich nie ganz verlohren, sondern immer ihre Verehrer und Befoͤrderer gefunden habe —; aber beunruhigen muß es ihn doch allerdings, wenn er bedenkt, wie schnell sich jene Krankheit auszubreiten anfaͤngt, wie maͤchtige Anhaͤnger, wie feine listige Prediger sie hat, und wie sehr sie sich zum Geiste unseres Jahrhunderts, unsrer Sitten und selbst zur Polemik unsrer Tage paßt, unter deren Streitigkeiten sie sich immer mehr und mehr ausdehnen wird. —

Die Schwaͤrmer sind im gewissen Betracht, zumal wenn sie Beredsamkeit mit List verbinden, wie dergleichen mehrere bekannt sind, und wenn sie mit lebhaft empfindenden Leuten zu thun haben, unwiderstehliche Verfuͤhrer. Die Sprache der Ruhe, Zufriedenheit und Gleichmuͤthigkeit, die aus ihren Worten und Mienen hervorleuchtet, und von der man so leicht auf eine innere gluͤckliche Stille des

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[45/0045] Diese und mehrere physische und psychologische — zum Theil auch politische Gruͤnde haben vornehmlich der Schwaͤrmerey in unsern Tagen Thuͤr und Thor eroͤffnet, und man hat sehr Ursach, auf den geheimen, im Dunkeln schleichenden Fortgang dieser Pestilenz aufmerksam zu seyn. Der ruhige Denker wird freylich bey der zunehmenden Ausbreitung derselben, die durch so viele besondere, aber sehr thaͤtige Secten befoͤrdert wird, immer Muth behalten; er wird sich damit troͤsten, daß die gesunde Vernunft und die aͤchte Tugend sich eigentlich nie ganz verlohren, sondern immer ihre Verehrer und Befoͤrderer gefunden habe —; aber beunruhigen muß es ihn doch allerdings, wenn er bedenkt, wie schnell sich jene Krankheit auszubreiten anfaͤngt, wie maͤchtige Anhaͤnger, wie feine listige Prediger sie hat, und wie sehr sie sich zum Geiste unseres Jahrhunderts, unsrer Sitten und selbst zur Polemik unsrer Tage paßt, unter deren Streitigkeiten sie sich immer mehr und mehr ausdehnen wird. — Die Schwaͤrmer sind im gewissen Betracht, zumal wenn sie Beredsamkeit mit List verbinden, wie dergleichen mehrere bekannt sind, und wenn sie mit lebhaft empfindenden Leuten zu thun haben, unwiderstehliche Verfuͤhrer. Die Sprache der Ruhe, Zufriedenheit und Gleichmuͤthigkeit, die aus ihren Worten und Mienen hervorleuchtet, und von der man so leicht auf eine innere gluͤckliche Stille des

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/45>, abgerufen am 23.11.2024.