Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.Wenn die Zeit des Schlafs herannahet, so bemerken wir deutlich, daß in unserm Körper sowohl als in unsrer Seele mancherlei Veränderungen vorgehen. Jener geräth durch den Druck des Bluts auf unser Gehirn in einer Art Erschlaffung, welche mit einem wohlthätigen Gefühl der Ruhe verbunden ist, das gleichsam alle unsere Sinne berauscht. Jn dieser Berauschung verrichten unsere Organe nur gleichsam noch die Dienste der Jnvaliden, sie stellen uns die Objecte nicht mehr deutlich, sondern verworren dar, und unsere Seele nimmt aus schwesterlicher Bekanntschaft mit dem Körper an diesem Zustande Theil. Es erfolgt eine unwillkürliche Verwirrung ihrer Jdeen, welche Haller nicht ganz unrichtig ein delirium nennt. Unsere Gedanken verlieren und verwischen sich nach einander. Einige bleiben zuletzt noch mit einem dunkeln Schimmer in uns zurück, bis auch diese nach und nach verschwinden, und unsere Seele, sich ihrer gänzlich unbewußt, in den Zustand des Schlafs sinkt. Jn dieser Zwischenzeit zwischen Schlaf und Wachen bemerken wir nun gemeiniglich jene bizarren, bald lächerlichen und unanständigen, bald auch fürchterlichen Bilder, welche unsere Seele durchkreutzen, und deren Ursprung noch ein Räthsel in der Psychologie zu seyn scheint. Bisweilen erinnern wir uns alsdann auf einmahl, ohne eine Jdeenassociation in uns wahrzunehmen, aus der man sich das Erinnern erklären könnte, Dinge, die wir längst Wenn die Zeit des Schlafs herannahet, so bemerken wir deutlich, daß in unserm Koͤrper sowohl als in unsrer Seele mancherlei Veraͤnderungen vorgehen. Jener geraͤth durch den Druck des Bluts auf unser Gehirn in einer Art Erschlaffung, welche mit einem wohlthaͤtigen Gefuͤhl der Ruhe verbunden ist, das gleichsam alle unsere Sinne berauscht. Jn dieser Berauschung verrichten unsere Organe nur gleichsam noch die Dienste der Jnvaliden, sie stellen uns die Objecte nicht mehr deutlich, sondern verworren dar, und unsere Seele nimmt aus schwesterlicher Bekanntschaft mit dem Koͤrper an diesem Zustande Theil. Es erfolgt eine unwillkuͤrliche Verwirrung ihrer Jdeen, welche Haller nicht ganz unrichtig ein delirium nennt. Unsere Gedanken verlieren und verwischen sich nach einander. Einige bleiben zuletzt noch mit einem dunkeln Schimmer in uns zuruͤck, bis auch diese nach und nach verschwinden, und unsere Seele, sich ihrer gaͤnzlich unbewußt, in den Zustand des Schlafs sinkt. Jn dieser Zwischenzeit zwischen Schlaf und Wachen bemerken wir nun gemeiniglich jene bizarren, bald laͤcherlichen und unanstaͤndigen, bald auch fuͤrchterlichen Bilder, welche unsere Seele durchkreutzen, und deren Ursprung noch ein Raͤthsel in der Psychologie zu seyn scheint. Bisweilen erinnern wir uns alsdann auf einmahl, ohne eine Jdeenassociation in uns wahrzunehmen, aus der man sich das Erinnern erklaͤren koͤnnte, Dinge, die wir laͤngst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0092" n="92"/><lb/> <p>Wenn die Zeit des Schlafs herannahet, so bemerken wir deutlich, daß in unserm Koͤrper sowohl als in unsrer Seele mancherlei Veraͤnderungen vorgehen. Jener geraͤth durch den Druck des Bluts auf unser Gehirn in einer Art Erschlaffung, welche mit einem wohlthaͤtigen Gefuͤhl der Ruhe verbunden ist, das gleichsam alle unsere Sinne <hi rendition="#b">berauscht.</hi> Jn dieser Berauschung verrichten unsere Organe nur gleichsam noch die Dienste der Jnvaliden, sie stellen uns die Objecte nicht mehr deutlich, sondern verworren dar, und unsere Seele nimmt aus schwesterlicher Bekanntschaft mit dem Koͤrper an diesem Zustande Theil. Es erfolgt eine unwillkuͤrliche Verwirrung ihrer Jdeen, welche Haller nicht ganz unrichtig ein <hi rendition="#i">delirium</hi> nennt. Unsere Gedanken verlieren und verwischen sich nach einander. Einige bleiben zuletzt noch mit einem dunkeln Schimmer in uns zuruͤck, bis auch diese nach und nach verschwinden, und unsere Seele, sich ihrer gaͤnzlich unbewußt, in den Zustand des Schlafs sinkt.</p> <p>Jn dieser Zwischenzeit zwischen Schlaf und Wachen bemerken wir nun gemeiniglich jene bizarren, bald laͤcherlichen und unanstaͤndigen, bald auch fuͤrchterlichen Bilder, welche unsere Seele durchkreutzen, und deren Ursprung noch ein Raͤthsel in der Psychologie zu seyn scheint. Bisweilen erinnern wir uns alsdann auf einmahl, ohne eine Jdeenassociation in uns wahrzunehmen, aus der man sich das Erinnern erklaͤren koͤnnte, Dinge, die wir laͤngst<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0092]
Wenn die Zeit des Schlafs herannahet, so bemerken wir deutlich, daß in unserm Koͤrper sowohl als in unsrer Seele mancherlei Veraͤnderungen vorgehen. Jener geraͤth durch den Druck des Bluts auf unser Gehirn in einer Art Erschlaffung, welche mit einem wohlthaͤtigen Gefuͤhl der Ruhe verbunden ist, das gleichsam alle unsere Sinne berauscht. Jn dieser Berauschung verrichten unsere Organe nur gleichsam noch die Dienste der Jnvaliden, sie stellen uns die Objecte nicht mehr deutlich, sondern verworren dar, und unsere Seele nimmt aus schwesterlicher Bekanntschaft mit dem Koͤrper an diesem Zustande Theil. Es erfolgt eine unwillkuͤrliche Verwirrung ihrer Jdeen, welche Haller nicht ganz unrichtig ein delirium nennt. Unsere Gedanken verlieren und verwischen sich nach einander. Einige bleiben zuletzt noch mit einem dunkeln Schimmer in uns zuruͤck, bis auch diese nach und nach verschwinden, und unsere Seele, sich ihrer gaͤnzlich unbewußt, in den Zustand des Schlafs sinkt.
Jn dieser Zwischenzeit zwischen Schlaf und Wachen bemerken wir nun gemeiniglich jene bizarren, bald laͤcherlichen und unanstaͤndigen, bald auch fuͤrchterlichen Bilder, welche unsere Seele durchkreutzen, und deren Ursprung noch ein Raͤthsel in der Psychologie zu seyn scheint. Bisweilen erinnern wir uns alsdann auf einmahl, ohne eine Jdeenassociation in uns wahrzunehmen, aus der man sich das Erinnern erklaͤren koͤnnte, Dinge, die wir laͤngst
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