Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


ohne alle Veranlassung von aussen und nicht selten ganz wider unsern Willen in uns entstanden waren. Die Gewalt, welche oft solche unwillkürliche Bilder begleitet, und durch die Schwäche einer unvorbereiteten Vernunft noch sehr vermehrt werden muß, hat die Menschen von je her destomehr angetrieben böse Geister anzunehmen, die uns nach ihrem Gefallen lenken und regieren könnten.

Jch will es versuchen, über jenen Zustand der menschlichen Seele, in welchem sie durch den Einfluß der Dunkelheit auf ihre Begriffe so oft ganz besonders gestimmt, oder eigentlich verstimmt wird, einige Betrachtungen anzustellen; ob ich gleich den Ursprung einer jeden individuellen Vorstellung jener Art nicht angeben kann. Wenn sich gleich unsere Einbildungskraft nach gewissen psychologischen Gesetzen richten muß, und darnach bestimmt wird; so ist sie doch in jedem andern Menschen anders, und ihre Modificationen müssen bei jedem einzelnen Menschen nach tausend Localumständen abgemessen werden, wenn man ihre Würkungen in Rücksicht einzelner Menschen erklären will. Vielleicht würden wir viel größere Schritte in der Seelenlehre thun, wenn uns mehrere aufgeklärte Männer richtige und wahrhafte Tagebücher ihrer Einbildungskraft mit den jedesmaligen Localumständen einzelner Erscheinungen derselben mittheilen würden. Doch zur Sache!



ohne alle Veranlassung von aussen und nicht selten ganz wider unsern Willen in uns entstanden waren. Die Gewalt, welche oft solche unwillkuͤrliche Bilder begleitet, und durch die Schwaͤche einer unvorbereiteten Vernunft noch sehr vermehrt werden muß, hat die Menschen von je her destomehr angetrieben boͤse Geister anzunehmen, die uns nach ihrem Gefallen lenken und regieren koͤnnten.

Jch will es versuchen, uͤber jenen Zustand der menschlichen Seele, in welchem sie durch den Einfluß der Dunkelheit auf ihre Begriffe so oft ganz besonders gestimmt, oder eigentlich verstimmt wird, einige Betrachtungen anzustellen; ob ich gleich den Ursprung einer jeden individuellen Vorstellung jener Art nicht angeben kann. Wenn sich gleich unsere Einbildungskraft nach gewissen psychologischen Gesetzen richten muß, und darnach bestimmt wird; so ist sie doch in jedem andern Menschen anders, und ihre Modificationen muͤssen bei jedem einzelnen Menschen nach tausend Localumstaͤnden abgemessen werden, wenn man ihre Wuͤrkungen in Ruͤcksicht einzelner Menschen erklaͤren will. Vielleicht wuͤrden wir viel groͤßere Schritte in der Seelenlehre thun, wenn uns mehrere aufgeklaͤrte Maͤnner richtige und wahrhafte Tagebuͤcher ihrer Einbildungskraft mit den jedesmaligen Localumstaͤnden einzelner Erscheinungen derselben mittheilen wuͤrden. Doch zur Sache!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="91"/><lb/>
ohne alle Veranlassung von aussen und nicht selten ganz wider unsern Willen in                   uns entstanden waren. Die Gewalt, welche oft solche unwillku&#x0364;rliche Bilder                   begleitet, und durch die Schwa&#x0364;che einer unvorbereiteten Vernunft noch sehr                   vermehrt werden muß, hat die Menschen von je her destomehr angetrieben bo&#x0364;se                   Geister anzunehmen, die uns nach ihrem Gefallen lenken und regieren ko&#x0364;nnten.</p>
            <p>Jch will es versuchen, u&#x0364;ber jenen Zustand der menschlichen Seele, in welchem sie                   durch den Einfluß der Dunkelheit auf ihre Begriffe so oft ganz besonders gestimmt,                   oder eigentlich verstimmt wird, einige Betrachtungen anzustellen; ob ich gleich                   den Ursprung einer jeden individuellen Vorstellung jener Art nicht angeben kann.                   Wenn sich gleich unsere Einbildungskraft nach gewissen psychologischen Gesetzen                   richten muß, und darnach bestimmt wird; so ist sie doch in jedem andern Menschen                   anders, und ihre Modificationen mu&#x0364;ssen bei jedem einzelnen Menschen nach tausend                   Localumsta&#x0364;nden abgemessen werden, wenn man ihre Wu&#x0364;rkungen in Ru&#x0364;cksicht einzelner                   Menschen erkla&#x0364;ren will. Vielleicht wu&#x0364;rden wir viel gro&#x0364;ßere Schritte in der                   Seelenlehre thun, wenn uns mehrere aufgekla&#x0364;rte Ma&#x0364;nner richtige und wahrhafte <hi rendition="#b">Tagebu&#x0364;cher ihrer Einbildungskraft</hi> mit den jedesmaligen                   Localumsta&#x0364;nden einzelner <choice><corr>Erscheinungen</corr><sic>Bescheinungen</sic></choice> derselben mittheilen wu&#x0364;rden. Doch zur Sache!</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0091] ohne alle Veranlassung von aussen und nicht selten ganz wider unsern Willen in uns entstanden waren. Die Gewalt, welche oft solche unwillkuͤrliche Bilder begleitet, und durch die Schwaͤche einer unvorbereiteten Vernunft noch sehr vermehrt werden muß, hat die Menschen von je her destomehr angetrieben boͤse Geister anzunehmen, die uns nach ihrem Gefallen lenken und regieren koͤnnten. Jch will es versuchen, uͤber jenen Zustand der menschlichen Seele, in welchem sie durch den Einfluß der Dunkelheit auf ihre Begriffe so oft ganz besonders gestimmt, oder eigentlich verstimmt wird, einige Betrachtungen anzustellen; ob ich gleich den Ursprung einer jeden individuellen Vorstellung jener Art nicht angeben kann. Wenn sich gleich unsere Einbildungskraft nach gewissen psychologischen Gesetzen richten muß, und darnach bestimmt wird; so ist sie doch in jedem andern Menschen anders, und ihre Modificationen muͤssen bei jedem einzelnen Menschen nach tausend Localumstaͤnden abgemessen werden, wenn man ihre Wuͤrkungen in Ruͤcksicht einzelner Menschen erklaͤren will. Vielleicht wuͤrden wir viel groͤßere Schritte in der Seelenlehre thun, wenn uns mehrere aufgeklaͤrte Maͤnner richtige und wahrhafte Tagebuͤcher ihrer Einbildungskraft mit den jedesmaligen Localumstaͤnden einzelner Erscheinungen derselben mittheilen wuͤrden. Doch zur Sache!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/91
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/91>, abgerufen am 06.05.2024.