Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
"Jch hatte meine Reflexion darüber. Wenn Gott wollte, dachte ich, so könnte er leicht Materie und äusserliche Objecte finden, alle Gliedmaßen unseres Leibes, sie möchten stehen wo sie wollten, auf eine solche Weise zu bewegen, daß die größte Wollust daraus entstehen müßte. Die Wollust kommt in der Welt dem Schmerz nicht gleich, den wir Menschen in Gliedern oft fühlen. Ein Hühnerauge ist ein geringes Ding, und was kann das nicht vor Pein machen, wenn es zu toben anfängt! Was soll ich von Zahnschmerzen sagen, welche ich oft in so großem Maße gehabt, daß ich nicht davor schla-
»Jch hatte meine Reflexion daruͤber. Wenn Gott wollte, dachte ich, so koͤnnte er leicht Materie und aͤusserliche Objecte finden, alle Gliedmaßen unseres Leibes, sie moͤchten stehen wo sie wollten, auf eine solche Weise zu bewegen, daß die groͤßte Wollust daraus entstehen muͤßte. Die Wollust kommt in der Welt dem Schmerz nicht gleich, den wir Menschen in Gliedern oft fuͤhlen. Ein Huͤhnerauge ist ein geringes Ding, und was kann das nicht vor Pein machen, wenn es zu toben anfaͤngt! Was soll ich von Zahnschmerzen sagen, welche ich oft in so großem Maße gehabt, daß ich nicht davor schla- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0019" n="19"/><lb/> keine solche Freude und Wollust gehabt, als diesesmahl, was ich auch gegessen und getrunken. Jch habe in der Jugend ein und das anderemahl Tobak <choice><corr><hi rendition="#aq">ore vinoso</hi></corr><sic>ore vinoro Druckfehlerverzeichnis ore vinoso</sic></choice> geraucht, welches auch annehmlich schmeckt; doch dies ist so was schlechtes, daß ich mich aͤrgere, daß ich eine Vergleichung damit anstellen will. Jch legte die Pfeife weg, ich nahm sie wieder, der scharfe durchdringende Geschmack blieb einmahl wie das andre. Jch bin versichert, wenn dergleichen alle Tobaksbruͤder bei ihrem Tobakrauchen empfaͤnden, was ich damahls empfand, sie rauchten sich dara zu <choice><corr>Schanden,</corr><sic>schanden,</sic></choice> oder staͤchen und hieben sich daruͤber zu Tode. — — Bei der folgenden Pfeife aber, die ich ansteckte, hatte die Herrlichkeit ein Ende. Dieselbe schmeckte wie Numer 7, davon die Elle einen Dreier kommt, und dergleichen ich noch zu rauchen pflege«.</p> <p>»Jch hatte meine Reflexion daruͤber. Wenn Gott wollte, dachte ich, so koͤnnte er leicht Materie und aͤusserliche Objecte finden, alle Gliedmaßen unseres Leibes, sie moͤchten stehen wo sie wollten, auf eine solche Weise zu bewegen, <hi rendition="#b">daß die groͤßte Wollust</hi> daraus entstehen muͤßte. Die Wollust kommt in der Welt dem Schmerz nicht gleich, den wir Menschen in Gliedern oft fuͤhlen. Ein Huͤhnerauge ist ein geringes Ding, und was kann das nicht vor Pein machen, wenn es zu toben anfaͤngt! Was soll ich von Zahnschmerzen sagen, welche ich oft in so großem Maße gehabt, daß ich nicht davor schla-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
keine solche Freude und Wollust gehabt, als diesesmahl, was ich auch gegessen und getrunken. Jch habe in der Jugend ein und das anderemahl Tobak ore vinoso geraucht, welches auch annehmlich schmeckt; doch dies ist so was schlechtes, daß ich mich aͤrgere, daß ich eine Vergleichung damit anstellen will. Jch legte die Pfeife weg, ich nahm sie wieder, der scharfe durchdringende Geschmack blieb einmahl wie das andre. Jch bin versichert, wenn dergleichen alle Tobaksbruͤder bei ihrem Tobakrauchen empfaͤnden, was ich damahls empfand, sie rauchten sich dara zu Schanden, oder staͤchen und hieben sich daruͤber zu Tode. — — Bei der folgenden Pfeife aber, die ich ansteckte, hatte die Herrlichkeit ein Ende. Dieselbe schmeckte wie Numer 7, davon die Elle einen Dreier kommt, und dergleichen ich noch zu rauchen pflege«.
»Jch hatte meine Reflexion daruͤber. Wenn Gott wollte, dachte ich, so koͤnnte er leicht Materie und aͤusserliche Objecte finden, alle Gliedmaßen unseres Leibes, sie moͤchten stehen wo sie wollten, auf eine solche Weise zu bewegen, daß die groͤßte Wollust daraus entstehen muͤßte. Die Wollust kommt in der Welt dem Schmerz nicht gleich, den wir Menschen in Gliedern oft fuͤhlen. Ein Huͤhnerauge ist ein geringes Ding, und was kann das nicht vor Pein machen, wenn es zu toben anfaͤngt! Was soll ich von Zahnschmerzen sagen, welche ich oft in so großem Maße gehabt, daß ich nicht davor schla-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/19 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/19>, abgerufen am 22.07.2024. |