Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Sonderbarer scheint mir das in eben diesem Beitrage vorkommende Beispiel von einem Vorgefühl der Gesundheit zu seyn. Weil nehmlich der Verfasser gegen den Sonntag hin, wo er predigen soll, immer kränker wird; so bittet er einen andern Prediger, seine Stelle zu vertreten. Dieser schlägt es ihm ab. Sein Wirth will dem Commandeur des Regiments seine Krankheit anzeigen, weil er unmöglich predigen könne; allein der Verfasser will es nicht zugeben. Es dringt sich ihm der Gedanke mit größter Lebhaftigkeit auf: nein! du mußt
Sonderbarer scheint mir das in eben diesem Beitrage vorkommende Beispiel von einem Vorgefuͤhl der Gesundheit zu seyn. Weil nehmlich der Verfasser gegen den Sonntag hin, wo er predigen soll, immer kraͤnker wird; so bittet er einen andern Prediger, seine Stelle zu vertreten. Dieser schlaͤgt es ihm ab. Sein Wirth will dem Commandeur des Regiments seine Krankheit anzeigen, weil er unmoͤglich predigen koͤnne; allein der Verfasser will es nicht zugeben. Es dringt sich ihm der Gedanke mit groͤßter Lebhaftigkeit auf: nein! du mußt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0014" n="14"/><lb/> des Vorgefuͤhl</hi> einer Krankheit genennt werden, er lag ganz natuͤrlich in der Seele eines ernsthaften Mannes, der erst kuͤrzlich seine geliebte Mutter begraben hatte, dessen Gemuͤth noch voll von wehmuͤthigen Empfindungen ist; — endlich ein Gedanke, der gewoͤhnlich vielen Menschen einzufallen pflegt, wenn sie sich auf einem Kirchhofe befinden, wie ich aus eigener Erfahrung weiß; aber jenes Vorgefuͤhl traf ja doch <hi rendition="#b">beinahe</hi> ein; der Verfasser wird wuͤrklich krank. Dies war wieder sehr<hi rendition="#b">natuͤrlich.</hi> Er wird in ein Lazareth gerufen, und ein starker Qualm schlaͤgt ihm daraus entgegen, als ihm die Lazarethstube geoͤffnet wird. Da ist ja die <hi rendition="#b">natuͤrlichste</hi> Ursach seiner Krankheit, die <hi rendition="#b">ohne jenes</hi> angegebene Vorgefuͤhl eben so natuͤrlich entstanden seyn wuͤrde, weil er von den giftigen Duͤnsten der Krankenstube angesteckt wurde, und auch gleich anfangs einen Schauder dabeiempfand.</p> <p><hi rendition="#b">Sonderbarer</hi> scheint mir das in eben diesem Beitrage vorkommende Beispiel von einem <hi rendition="#b">Vorgefuͤhl der Gesundheit</hi> zu seyn. Weil nehmlich der Verfasser gegen den Sonntag hin, wo er predigen soll, immer kraͤnker wird; so bittet er einen andern Prediger, seine Stelle zu vertreten. Dieser schlaͤgt es ihm ab. Sein Wirth will dem Commandeur des Regiments seine Krankheit anzeigen, weil er unmoͤglich predigen koͤnne; allein der Verfasser will es nicht zugeben. Es dringt sich ihm der Gedanke mit groͤßter Lebhaftigkeit auf: <hi rendition="#b">nein! du mußt<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0014]
des Vorgefuͤhl einer Krankheit genennt werden, er lag ganz natuͤrlich in der Seele eines ernsthaften Mannes, der erst kuͤrzlich seine geliebte Mutter begraben hatte, dessen Gemuͤth noch voll von wehmuͤthigen Empfindungen ist; — endlich ein Gedanke, der gewoͤhnlich vielen Menschen einzufallen pflegt, wenn sie sich auf einem Kirchhofe befinden, wie ich aus eigener Erfahrung weiß; aber jenes Vorgefuͤhl traf ja doch beinahe ein; der Verfasser wird wuͤrklich krank. Dies war wieder sehrnatuͤrlich. Er wird in ein Lazareth gerufen, und ein starker Qualm schlaͤgt ihm daraus entgegen, als ihm die Lazarethstube geoͤffnet wird. Da ist ja die natuͤrlichste Ursach seiner Krankheit, die ohne jenes angegebene Vorgefuͤhl eben so natuͤrlich entstanden seyn wuͤrde, weil er von den giftigen Duͤnsten der Krankenstube angesteckt wurde, und auch gleich anfangs einen Schauder dabeiempfand.
Sonderbarer scheint mir das in eben diesem Beitrage vorkommende Beispiel von einem Vorgefuͤhl der Gesundheit zu seyn. Weil nehmlich der Verfasser gegen den Sonntag hin, wo er predigen soll, immer kraͤnker wird; so bittet er einen andern Prediger, seine Stelle zu vertreten. Dieser schlaͤgt es ihm ab. Sein Wirth will dem Commandeur des Regiments seine Krankheit anzeigen, weil er unmoͤglich predigen koͤnne; allein der Verfasser will es nicht zugeben. Es dringt sich ihm der Gedanke mit groͤßter Lebhaftigkeit auf: nein! du mußt
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