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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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schiedenheit des Menschenverhältnisses vom Fürsten bis zum Bettler! die vielen aufsteigenden Mittelgrade von dieser untersten Sprosse zu Jener obersten; wie sich Jeder, um sich den Weg durch dieses Leben zu erleichtern, Schätze auf Unkosten und den Schweiß seines Bruders zu sammeln sucht; wie mancher so verdienstlos, durch so niederträchtige, nichtsbedeutende Mittel sich über den Verdienstvollen, über den würdigen Stolz zu erheben sucht, und sich von ihm seinen Müßiggang bezahlen läßt.

"-- -- Das Thier erschien.
Geh, friß dein Korn daheim und schweige!
so sprach der Fürst, und lies ihn ziehn;
und so entstunden in dem Staate
die weltlichen Kanonikate
für Esel, die auf Polstern ruhn,
und Sold beziehn, um nichts zu thun."

Pfeffel.

Wir sahen Menschen, wie sie bei all' ihrem Gold den leidenden Bruder hätten verschmachten sehen, so ganz ohne Rührung, seinem Elend, seinem Kummer und seinen Thränen gleichgültig zusehen können, ohne nur einen Tropfen Oel in seine Wunde zu gießen.

Es fehlte nicht viel, uns noch zu überzeugen, daß unumschränkte Habsucht und ein hartes Herz allgemeiner seyen, als ein vernünftiges, weises


schiedenheit des Menschenverhaͤltnisses vom Fuͤrsten bis zum Bettler! die vielen aufsteigenden Mittelgrade von dieser untersten Sprosse zu Jener obersten; wie sich Jeder, um sich den Weg durch dieses Leben zu erleichtern, Schaͤtze auf Unkosten und den Schweiß seines Bruders zu sammeln sucht; wie mancher so verdienstlos, durch so niedertraͤchtige, nichtsbedeutende Mittel sich uͤber den Verdienstvollen, uͤber den wuͤrdigen Stolz zu erheben sucht, und sich von ihm seinen Muͤßiggang bezahlen laͤßt.

»— — Das Thier erschien.
Geh, friß dein Korn daheim und schweige!
so sprach der Fuͤrst, und lies ihn ziehn;
und so entstunden in dem Staate
die weltlichen Kanonikate
fuͤr Esel, die auf Polstern ruhn,
und Sold beziehn, um nichts zu thun.«

Pfeffel.

Wir sahen Menschen, wie sie bei all' ihrem Gold den leidenden Bruder haͤtten verschmachten sehen, so ganz ohne Ruͤhrung, seinem Elend, seinem Kummer und seinen Thraͤnen gleichguͤltig zusehen koͤnnen, ohne nur einen Tropfen Oel in seine Wunde zu gießen.

Es fehlte nicht viel, uns noch zu uͤberzeugen, daß unumschraͤnkte Habsucht und ein hartes Herz allgemeiner seyen, als ein vernuͤnftiges, weises

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[112/0112] schiedenheit des Menschenverhaͤltnisses vom Fuͤrsten bis zum Bettler! die vielen aufsteigenden Mittelgrade von dieser untersten Sprosse zu Jener obersten; wie sich Jeder, um sich den Weg durch dieses Leben zu erleichtern, Schaͤtze auf Unkosten und den Schweiß seines Bruders zu sammeln sucht; wie mancher so verdienstlos, durch so niedertraͤchtige, nichtsbedeutende Mittel sich uͤber den Verdienstvollen, uͤber den wuͤrdigen Stolz zu erheben sucht, und sich von ihm seinen Muͤßiggang bezahlen laͤßt. »— — Das Thier erschien. Geh, friß dein Korn daheim und schweige! so sprach der Fuͤrst, und lies ihn ziehn; und so entstunden in dem Staate die weltlichen Kanonikate fuͤr Esel, die auf Polstern ruhn, und Sold beziehn, um nichts zu thun.« Pfeffel. Wir sahen Menschen, wie sie bei all' ihrem Gold den leidenden Bruder haͤtten verschmachten sehen, so ganz ohne Ruͤhrung, seinem Elend, seinem Kummer und seinen Thraͤnen gleichguͤltig zusehen koͤnnen, ohne nur einen Tropfen Oel in seine Wunde zu gießen. Es fehlte nicht viel, uns noch zu uͤberzeugen, daß unumschraͤnkte Habsucht und ein hartes Herz allgemeiner seyen, als ein vernuͤnftiges, weises

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/112>, abgerufen am 24.11.2024.