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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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Es war ein Tropfen Linderung herabgegossen von jenem, der noch mitten unter den schrecklichsten Erschütterungen unsers Muthes über uns wacht. Jch habe dich wieder, und erst gestern fühlte ich in deinen Armen wieder Jene Seeligkeit mit verjüngtem Seelengenuß; doch du schiedest, um mir sie einst wieder zu gönnen. Empfange nun dieses Blatt, lies die Abwechselungen unseres beschiedenen Theils, und ich fahre fort an dieser angefangenen Materie.


Jch kam mit 10 Jahren, und du, Bruder! mit 11 Jahren nach Sp..: Jch will ganz aufrichtig von der Seele sprechen. Wir sollten dort die sogenannten 5 untern Klassen studiren; du warst 2 Klassen über mir. Als wir nun unsern Geburtsort verlassen mußten, so ward mir's immer dunkler in der Seele, je weiter wir uns davon entfernten. Daß wir uns nun Vater- und Mutter-los, von den Geschwistern und dem gewöhnten freudenvollen lieben Orte verbannt, von dem Orte, der uns so theuer wegen der vielen unschuldigen Vergnügen war, die wir da im Umgange mit den kleinen Freunden und in unserm eigenen Hause genoßen, und nun auf immer missen müßten, uns in eine ganz unbekannte Lage übersetzt und an einem fremden Ort uns selbst überlassen, von Noth gedrückt, und zu ohnmächtig sehen mußten, als uns in all' dieses sobald schicken zu können: waren traurige Gedanken für mich, die meine ganze Seele beschäftigten; und würklich, das


Es war ein Tropfen Linderung herabgegossen von jenem, der noch mitten unter den schrecklichsten Erschuͤtterungen unsers Muthes uͤber uns wacht. Jch habe dich wieder, und erst gestern fuͤhlte ich in deinen Armen wieder Jene Seeligkeit mit verjuͤngtem Seelengenuß; doch du schiedest, um mir sie einst wieder zu goͤnnen. Empfange nun dieses Blatt, lies die Abwechselungen unseres beschiedenen Theils, und ich fahre fort an dieser angefangenen Materie.


Jch kam mit 10 Jahren, und du, Bruder! mit 11 Jahren nach Sp..: Jch will ganz aufrichtig von der Seele sprechen. Wir sollten dort die sogenannten 5 untern Klassen studiren; du warst 2 Klassen uͤber mir. Als wir nun unsern Geburtsort verlassen mußten, so ward mir's immer dunkler in der Seele, je weiter wir uns davon entfernten. Daß wir uns nun Vater- und Mutter-los, von den Geschwistern und dem gewoͤhnten freudenvollen lieben Orte verbannt, von dem Orte, der uns so theuer wegen der vielen unschuldigen Vergnuͤgen war, die wir da im Umgange mit den kleinen Freunden und in unserm eigenen Hause genoßen, und nun auf immer missen muͤßten, uns in eine ganz unbekannte Lage uͤbersetzt und an einem fremden Ort uns selbst uͤberlassen, von Noth gedruͤckt, und zu ohnmaͤchtig sehen mußten, als uns in all' dieses sobald schicken zu koͤnnen: waren traurige Gedanken fuͤr mich, die meine ganze Seele beschaͤftigten; und wuͤrklich, das

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[110/0110] Es war ein Tropfen Linderung herabgegossen von jenem, der noch mitten unter den schrecklichsten Erschuͤtterungen unsers Muthes uͤber uns wacht. Jch habe dich wieder, und erst gestern fuͤhlte ich in deinen Armen wieder Jene Seeligkeit mit verjuͤngtem Seelengenuß; doch du schiedest, um mir sie einst wieder zu goͤnnen. Empfange nun dieses Blatt, lies die Abwechselungen unseres beschiedenen Theils, und ich fahre fort an dieser angefangenen Materie. Jch kam mit 10 Jahren, und du, Bruder! mit 11 Jahren nach Sp..: Jch will ganz aufrichtig von der Seele sprechen. Wir sollten dort die sogenannten 5 untern Klassen studiren; du warst 2 Klassen uͤber mir. Als wir nun unsern Geburtsort verlassen mußten, so ward mir's immer dunkler in der Seele, je weiter wir uns davon entfernten. Daß wir uns nun Vater- und Mutter-los, von den Geschwistern und dem gewoͤhnten freudenvollen lieben Orte verbannt, von dem Orte, der uns so theuer wegen der vielen unschuldigen Vergnuͤgen war, die wir da im Umgange mit den kleinen Freunden und in unserm eigenen Hause genoßen, und nun auf immer missen muͤßten, uns in eine ganz unbekannte Lage uͤbersetzt und an einem fremden Ort uns selbst uͤberlassen, von Noth gedruͤckt, und zu ohnmaͤchtig sehen mußten, als uns in all' dieses sobald schicken zu koͤnnen: waren traurige Gedanken fuͤr mich, die meine ganze Seele beschaͤftigten; und wuͤrklich, das

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/110>, abgerufen am 24.11.2024.