Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Nicht bloß unwissende und gemeine Leute, welche nie über die Natur der menschlichen Seele nach gedacht haben, und jedes sonderbare Phänomen derselben höhern Wesen ausser uns zu zu schreiben sich geneigt fühlen; sondern selbst Leute von Kopf und Geschmack, Philosophen von Profession, - die doch billig an einem Ahndungsvermögen der Seele zweifeln müßten, da es so erstaunlich viel wider sich, und nur wenig für sich hat, - lassen sich den Glauben daran nicht nehmen, und ich habe manche dasselbe mit einem Enthusiasmus vertheidigen hören, als wenn es auf die Untersuchung der allerwichtigsten Wahrheiten angekommen wäre. Jch kenne einige noch lebende Schriftsteller, welche alle ihre zufälligen Amtsveränderungen vorhergesehen zu haben vorgeben, - wozu ihnen eine solche Notiz geholfen hat, wissen sie selbst nicht -, und bei uns lebt noch diesen Augenblick ein Gelehrter, der sich darauf todtschlagen ließe, daß er aus gewissen unerklärbaren Veränderungen, blizschnellen Erscheinungen, und Lichtvibrationen in einem Winkel seiner Stube; aber NB allemahl des Abends, gewisse zufällige Begebenheiten seines Lebens, z.B. den Tod eines Anverwandten vorhersehen könne, wobei ihm denn immer zugleich ein kalter Schauer über die Haut laufen soll. - -
Nicht bloß unwissende und gemeine Leute, welche nie uͤber die Natur der menschlichen Seele nach gedacht haben, und jedes sonderbare Phaͤnomen derselben hoͤhern Wesen ausser uns zu zu schreiben sich geneigt fuͤhlen; sondern selbst Leute von Kopf und Geschmack, Philosophen von Profession, – die doch billig an einem Ahndungsvermoͤgen der Seele zweifeln muͤßten, da es so erstaunlich viel wider sich, und nur wenig fuͤr sich hat, – lassen sich den Glauben daran nicht nehmen, und ich habe manche dasselbe mit einem Enthusiasmus vertheidigen hoͤren, als wenn es auf die Untersuchung der allerwichtigsten Wahrheiten angekommen waͤre. Jch kenne einige noch lebende Schriftsteller, welche alle ihre zufaͤlligen Amtsveraͤnderungen vorhergesehen zu haben vorgeben, – wozu ihnen eine solche Notiz geholfen hat, wissen sie selbst nicht –, und bei uns lebt noch diesen Augenblick ein Gelehrter, der sich darauf todtschlagen ließe, daß er aus gewissen unerklaͤrbaren Veraͤnderungen, blizschnellen Erscheinungen, und Lichtvibrationen in einem Winkel seiner Stube; aber NB allemahl des Abends, gewisse zufaͤllige Begebenheiten seines Lebens, z.B. den Tod eines Anverwandten vorhersehen koͤnne, wobei ihm denn immer zugleich ein kalter Schauer uͤber die Haut laufen soll. – – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="2"/><lb/> sicht der <choice><corr>unter ihnen</corr><sic>unter</sic></choice> sich zugetragenen Ahndungen nicht zu widersprechen, rechnen kann.</p> <p>Nicht bloß unwissende und gemeine Leute, welche nie uͤber die Natur der menschlichen Seele nach gedacht haben, und jedes <hi rendition="#b">sonderbare</hi> Phaͤnomen derselben hoͤhern Wesen ausser uns zu zu schreiben sich geneigt fuͤhlen; sondern selbst Leute von Kopf und Geschmack, Philosophen von Profession, – die doch billig an einem Ahndungsvermoͤgen der Seele <hi rendition="#b">zweifeln</hi> muͤßten, da es so erstaunlich viel <hi rendition="#b">wider</hi> sich, und nur wenig <hi rendition="#b">fuͤr</hi> sich hat, – lassen sich den Glauben daran nicht nehmen, und ich habe manche dasselbe mit einem Enthusiasmus vertheidigen hoͤren, als wenn es auf die Untersuchung der allerwichtigsten Wahrheiten angekommen waͤre. Jch kenne einige noch lebende Schriftsteller, welche alle ihre <hi rendition="#b">zufaͤlligen</hi> Amtsveraͤnderungen vorhergesehen zu haben vorgeben, – wozu ihnen eine solche Notiz geholfen hat, wissen sie selbst nicht –, und bei uns lebt noch diesen Augenblick ein Gelehrter, der sich darauf todtschlagen ließe, daß er aus gewissen unerklaͤrbaren Veraͤnderungen, blizschnellen Erscheinungen, und Lichtvibrationen in einem Winkel seiner Stube; aber <hi rendition="#aq">NB</hi> allemahl des Abends, gewisse zufaͤllige Begebenheiten seines Lebens, z.B. den Tod eines Anverwandten vorhersehen koͤnne, wobei ihm denn immer zugleich ein kalter Schauer uͤber die Haut laufen soll. – –</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0004]
sicht der unter ihnen sich zugetragenen Ahndungen nicht zu widersprechen, rechnen kann.
Nicht bloß unwissende und gemeine Leute, welche nie uͤber die Natur der menschlichen Seele nach gedacht haben, und jedes sonderbare Phaͤnomen derselben hoͤhern Wesen ausser uns zu zu schreiben sich geneigt fuͤhlen; sondern selbst Leute von Kopf und Geschmack, Philosophen von Profession, – die doch billig an einem Ahndungsvermoͤgen der Seele zweifeln muͤßten, da es so erstaunlich viel wider sich, und nur wenig fuͤr sich hat, – lassen sich den Glauben daran nicht nehmen, und ich habe manche dasselbe mit einem Enthusiasmus vertheidigen hoͤren, als wenn es auf die Untersuchung der allerwichtigsten Wahrheiten angekommen waͤre. Jch kenne einige noch lebende Schriftsteller, welche alle ihre zufaͤlligen Amtsveraͤnderungen vorhergesehen zu haben vorgeben, – wozu ihnen eine solche Notiz geholfen hat, wissen sie selbst nicht –, und bei uns lebt noch diesen Augenblick ein Gelehrter, der sich darauf todtschlagen ließe, daß er aus gewissen unerklaͤrbaren Veraͤnderungen, blizschnellen Erscheinungen, und Lichtvibrationen in einem Winkel seiner Stube; aber NB allemahl des Abends, gewisse zufaͤllige Begebenheiten seines Lebens, z.B. den Tod eines Anverwandten vorhersehen koͤnne, wobei ihm denn immer zugleich ein kalter Schauer uͤber die Haut laufen soll. – –
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/4>, abgerufen am 16.07.2024. |