Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0128" n="126"/><lb/> mich noch nicht ganz verworfen haͤtte. Jnzwischen ließ ich nicht ab, Gott inbruͤnstig im Gebet, obwohl mit beklemmtem und hartem Herzen anzurufen, und nach meiner Erloͤsung zu seufzen. Ach mein Gott! sprach ich oft, wenn wird doch der Knabe kommen und mir sein Staͤblein reichen, und mir aus der tiefen Grube helfen, aus welcher ich keinen Ausgang finden kann. Denn vor den Feiertagen traͤumte mir einstens zur Nacht, als ob ich in einer tiefen Grube steckte, und nicht die geringste Moͤglichkeit saͤhe, heraus zu kommen. Jn der Angst arbeitete ich, und kletterte bald hier, bald dahin; aber alles Bemuͤhen war vergebens. Jndem deuchte mich, als ob auf der Grube und am Rande ein kleiner schoͤner Knabe stuͤnde, der mir ein Staͤblein reichte, unter dem Schein, als ob er mich damit heraushelfen wollte. Ach du armes Kind, fing ich an, mit diesem Staͤblein wirst du mich nicht herausziehen; ich wuͤrde dich eher zu mir herunterreißen. Es sagte aber: ich sollte mich nur anhalten, es wuͤrde schon angehen. Kaum hatte ich das aͤußerste Ende seines Stabes angeruͤhrt und gefaßt, so wußte ich nicht, wie mir geschahe; denn in dem Augenblick befand ich mich außer der Gruben oben bei dem Knaben«. Dieser Traum, noch mehr aber die sonderbare Beichtabsolution, die ihm ein Leipziger Prediger ertheilt, fing auf einmahl unsern ungluͤcklichen Hypochondristen zu beruhigen an. Sein Herz faͤngt jetzt wieder ruhiger zu schlagen an, seine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0128]
mich noch nicht ganz verworfen haͤtte. Jnzwischen ließ ich nicht ab, Gott inbruͤnstig im Gebet, obwohl mit beklemmtem und hartem Herzen anzurufen, und nach meiner Erloͤsung zu seufzen. Ach mein Gott! sprach ich oft, wenn wird doch der Knabe kommen und mir sein Staͤblein reichen, und mir aus der tiefen Grube helfen, aus welcher ich keinen Ausgang finden kann. Denn vor den Feiertagen traͤumte mir einstens zur Nacht, als ob ich in einer tiefen Grube steckte, und nicht die geringste Moͤglichkeit saͤhe, heraus zu kommen. Jn der Angst arbeitete ich, und kletterte bald hier, bald dahin; aber alles Bemuͤhen war vergebens. Jndem deuchte mich, als ob auf der Grube und am Rande ein kleiner schoͤner Knabe stuͤnde, der mir ein Staͤblein reichte, unter dem Schein, als ob er mich damit heraushelfen wollte. Ach du armes Kind, fing ich an, mit diesem Staͤblein wirst du mich nicht herausziehen; ich wuͤrde dich eher zu mir herunterreißen. Es sagte aber: ich sollte mich nur anhalten, es wuͤrde schon angehen. Kaum hatte ich das aͤußerste Ende seines Stabes angeruͤhrt und gefaßt, so wußte ich nicht, wie mir geschahe; denn in dem Augenblick befand ich mich außer der Gruben oben bei dem Knaben«. Dieser Traum, noch mehr aber die sonderbare Beichtabsolution, die ihm ein Leipziger Prediger ertheilt, fing auf einmahl unsern ungluͤcklichen Hypochondristen zu beruhigen an. Sein Herz faͤngt jetzt wieder ruhiger zu schlagen an, seine
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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