Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0117" n="115"/><lb/> daß er an allem Elende, welches jenen treffen koͤnne, Schuld sey; noch mehr geraͤth er aber in Unruh, da er die Nachricht bekommt, daß sich ein Junge ohnweit Leipzig ersaͤuft habe, ein Umstand, welcher den gesetztesten Mann, geschweige einen an Leib und Seele kranken Milzsuͤchtigen erschuͤttern mußte. »O mein Gott! hebt der ungluͤckliche Mann an, was soll ich von dem folgenden 1704ten Jahre sagen, und welche Feder ist faͤhig, die Seelennoth und Hoͤllenangst zu beschreiben, in welche ich gerathen bin. Jch hatte einen habituellen, eifrigen, bestaͤndigen, taͤglichen Vorsatz, <hi rendition="#b">etwas</hi> nimmermehr einzugehen; und siehe! so sehr ich neben diesem guten Vorsatz auch eifrig gebetet, in einer gewissen Sache mein Jawort nicht dazu zu geben; so wurde ich doch bei der sich dazu ereignenden Gelegenheit schnelle, und in der Hitze des Affects willens, meinem Vorsatze contraͤr zu handeln.« Der Verfasser nennt dieses <hi rendition="#b">Etwas</hi> eigentlich nicht; wahrscheinlich war es die aus seinen Erzaͤhlungen sehr hervorleuchtende Neigung zu heimlichen Suͤnden. Er geht, um sich von seiner Seelenangst zu befreien, zum heil. Abendmahl, und zwar nicht bei seinem gewoͤhnlichen Beichtvater, bei welchem er erst vor 6 Wochen gebeichtet hatte, und dem er durch ein so oftes Abendmahlgehen nicht gern als ein frommer Sonderling vorkommen wollte; allein durch den Gebrauch des Abendmahls wurde seine Angst noch groͤßer, weil er es unwuͤrdig genossen zu haben<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0117]
daß er an allem Elende, welches jenen treffen koͤnne, Schuld sey; noch mehr geraͤth er aber in Unruh, da er die Nachricht bekommt, daß sich ein Junge ohnweit Leipzig ersaͤuft habe, ein Umstand, welcher den gesetztesten Mann, geschweige einen an Leib und Seele kranken Milzsuͤchtigen erschuͤttern mußte. »O mein Gott! hebt der ungluͤckliche Mann an, was soll ich von dem folgenden 1704ten Jahre sagen, und welche Feder ist faͤhig, die Seelennoth und Hoͤllenangst zu beschreiben, in welche ich gerathen bin. Jch hatte einen habituellen, eifrigen, bestaͤndigen, taͤglichen Vorsatz, etwas nimmermehr einzugehen; und siehe! so sehr ich neben diesem guten Vorsatz auch eifrig gebetet, in einer gewissen Sache mein Jawort nicht dazu zu geben; so wurde ich doch bei der sich dazu ereignenden Gelegenheit schnelle, und in der Hitze des Affects willens, meinem Vorsatze contraͤr zu handeln.« Der Verfasser nennt dieses Etwas eigentlich nicht; wahrscheinlich war es die aus seinen Erzaͤhlungen sehr hervorleuchtende Neigung zu heimlichen Suͤnden. Er geht, um sich von seiner Seelenangst zu befreien, zum heil. Abendmahl, und zwar nicht bei seinem gewoͤhnlichen Beichtvater, bei welchem er erst vor 6 Wochen gebeichtet hatte, und dem er durch ein so oftes Abendmahlgehen nicht gern als ein frommer Sonderling vorkommen wollte; allein durch den Gebrauch des Abendmahls wurde seine Angst noch groͤßer, weil er es unwuͤrdig genossen zu haben
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