Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Dieser qualvolle Gemüthszustand des Verfassers dauerte noch einige Zeit fort, und wurde wahrscheinlich durch die Abwechselung und Neuheit der Gegenstände in Leipzig, wohin er sich bald darauf des Studirens wegen begab, erhalten. Hier studirte er sehr fleißig, und wurde endlich mit vielem Beifall Magister. Aber die Rückfälle der Hypochondrie sind bei gemüthskranken Leuten gemeiniglich stärker und heftiger, als ihre vorhergehenden Anwandelungen, und so ging es auch unserm Verfasser. Seine Gewissensangst trat auf einmahl wieder mit der größten Wuth ein, und das Entlaufen eines Famulus aus seinen Diensten, von dem er nicht wußte, wo er hingekommen war, mußte Veranlassung dazu werden. Er hatte diesen Menschen wegen seiner Lüderlichkeit mit Worten hart bestraft, der Bube war darauf davon gelaufen, und dem armen Berend lag es nun immer in dem Sinne,
Dieser qualvolle Gemuͤthszustand des Verfassers dauerte noch einige Zeit fort, und wurde wahrscheinlich durch die Abwechselung und Neuheit der Gegenstaͤnde in Leipzig, wohin er sich bald darauf des Studirens wegen begab, erhalten. Hier studirte er sehr fleißig, und wurde endlich mit vielem Beifall Magister. Aber die Ruͤckfaͤlle der Hypochondrie sind bei gemuͤthskranken Leuten gemeiniglich staͤrker und heftiger, als ihre vorhergehenden Anwandelungen, und so ging es auch unserm Verfasser. Seine Gewissensangst trat auf einmahl wieder mit der groͤßten Wuth ein, und das Entlaufen eines Famulus aus seinen Diensten, von dem er nicht wußte, wo er hingekommen war, mußte Veranlassung dazu werden. Er hatte diesen Menschen wegen seiner Luͤderlichkeit mit Worten hart bestraft, der Bube war darauf davon gelaufen, und dem armen Berend lag es nun immer in dem Sinne, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0116" n="114"/><lb/> Erden, was mich in diesem Zustande haͤtte erfreuen koͤnnen, keine Musik ergoͤtzte mich mehr, und kein Spiel erquickte mich mehr. Jch ging in der Hitze der Anfechtung hin und her, lief aus einer Kirche und Predigt in die andere, Trost und Linderung fuͤr meine geaͤngstete Seele zu suchen«. Endlich wird der Verfasser in einer Predigt getroͤstet. »Es fehlte nicht viel, sagt er, daß ich nicht in der Kirche uͤberlaut vor Freuden zu schreien anfing. – Da erfuhr ich das erstemahl in der That, wie einem zu Muthe, dem das Herz vor Freuden zerspringen will.«</p> <p>Dieser qualvolle Gemuͤthszustand des Verfassers dauerte noch einige Zeit fort, und wurde wahrscheinlich durch die Abwechselung und Neuheit der Gegenstaͤnde in Leipzig, wohin er sich bald darauf des Studirens wegen begab, erhalten. Hier studirte er sehr fleißig, und wurde endlich mit vielem Beifall Magister. Aber die Ruͤckfaͤlle der Hypochondrie sind bei gemuͤthskranken Leuten gemeiniglich staͤrker und heftiger, als ihre vorhergehenden Anwandelungen, und so ging es auch unserm Verfasser. Seine Gewissensangst trat auf einmahl wieder mit der groͤßten Wuth ein, und das Entlaufen eines Famulus aus seinen Diensten, von dem er nicht wußte, wo er hingekommen war, mußte Veranlassung dazu werden. Er hatte diesen Menschen wegen seiner Luͤderlichkeit mit Worten hart bestraft, der Bube war darauf davon gelaufen, und dem armen Berend lag es nun immer in dem Sinne,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0116]
Erden, was mich in diesem Zustande haͤtte erfreuen koͤnnen, keine Musik ergoͤtzte mich mehr, und kein Spiel erquickte mich mehr. Jch ging in der Hitze der Anfechtung hin und her, lief aus einer Kirche und Predigt in die andere, Trost und Linderung fuͤr meine geaͤngstete Seele zu suchen«. Endlich wird der Verfasser in einer Predigt getroͤstet. »Es fehlte nicht viel, sagt er, daß ich nicht in der Kirche uͤberlaut vor Freuden zu schreien anfing. – Da erfuhr ich das erstemahl in der That, wie einem zu Muthe, dem das Herz vor Freuden zerspringen will.«
Dieser qualvolle Gemuͤthszustand des Verfassers dauerte noch einige Zeit fort, und wurde wahrscheinlich durch die Abwechselung und Neuheit der Gegenstaͤnde in Leipzig, wohin er sich bald darauf des Studirens wegen begab, erhalten. Hier studirte er sehr fleißig, und wurde endlich mit vielem Beifall Magister. Aber die Ruͤckfaͤlle der Hypochondrie sind bei gemuͤthskranken Leuten gemeiniglich staͤrker und heftiger, als ihre vorhergehenden Anwandelungen, und so ging es auch unserm Verfasser. Seine Gewissensangst trat auf einmahl wieder mit der groͤßten Wuth ein, und das Entlaufen eines Famulus aus seinen Diensten, von dem er nicht wußte, wo er hingekommen war, mußte Veranlassung dazu werden. Er hatte diesen Menschen wegen seiner Luͤderlichkeit mit Worten hart bestraft, der Bube war darauf davon gelaufen, und dem armen Berend lag es nun immer in dem Sinne,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/116>, abgerufen am 16.07.2024. |