Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Die zweite Person bist ist auf die Weise aus der ersten und dritten Person zusammengesetzt -- das b von der ersten Person bedeutet die anschauende Erkenntniß, welche wir von einem Wesen außer uns haben, das vor uns da steht; und das st bezeichnet die Anstrengung unsrer Denkkraft, wodurch wir uns dasselbe demungeachtet, als außer uns vorstellen -- also ist: bin bist in uns hineingedachtes aus uns herausgedachtes Selbstgefühl Selbstgefühl ist eine objektivische Erkenntniß. Bei ist fällt das zirkumskribirende persönlichmachende, aus dem Zusammenhange der Dinge herausschneidende b ganz weg -- weil wir vermöge desselben das Daseyn der Dinge in ihrem Zusammenhange, oder die Wahrheit erkennen sollen -- es bezeichnet die außer sich wirkende, sich selbst vergessende angestrengte Denkkraft in ihrer Selbstthätigkeit. Wenn wir nun erwägen, was für eine erstaunliche Verschiedenheit zwischen unsrem Selbstge-
Die zweite Person bist ist auf die Weise aus der ersten und dritten Person zusammengesetzt — das b von der ersten Person bedeutet die anschauende Erkenntniß, welche wir von einem Wesen außer uns haben, das vor uns da steht; und das st bezeichnet die Anstrengung unsrer Denkkraft, wodurch wir uns dasselbe demungeachtet, als außer uns vorstellen — also ist: bin bist in uns hineingedachtes aus uns herausgedachtes Selbstgefuͤhl Selbstgefuͤhl ist eine objektivische Erkenntniß. Bei ist faͤllt das zirkumskribirende persoͤnlichmachende, aus dem Zusammenhange der Dinge herausschneidende b ganz weg — weil wir vermoͤge desselben das Daseyn der Dinge in ihrem Zusammenhange, oder die Wahrheit erkennen sollen — es bezeichnet die außer sich wirkende, sich selbst vergessende angestrengte Denkkraft in ihrer Selbstthaͤtigkeit. Wenn wir nun erwaͤgen, was fuͤr eine erstaunliche Verschiedenheit zwischen unsrem Selbstge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0098" n="98"/><lb/> den zweiten Wurzellaut <hi rendition="#b">n</hi> in <hi rendition="#b">bin</hi> gleichsam in uns hineinziehen, statt, daß wir es durch das <hi rendition="#b">st</hi> in <hi rendition="#b">bist</hi> gleichsam aus uns herausstoßen. — </p> <p>Die zweite Person <hi rendition="#b">bist</hi> ist auf die Weise aus der ersten und dritten Person zusammengesetzt — das <hi rendition="#b">b</hi> von der ersten Person bedeutet die anschauende Erkenntniß, welche wir von einem Wesen außer uns haben, das <hi rendition="#b">vor uns</hi> da steht; und das <hi rendition="#b">st</hi> bezeichnet die Anstrengung unsrer Denkkraft, wodurch wir uns dasselbe demungeachtet, als außer uns vorstellen — also ist: </p> <p> <hi rendition="#b">bin bist</hi> </p> <p>in uns hineingedachtes aus uns herausgedachtes </p> <p> Selbstgefuͤhl Selbstgefuͤhl </p> <p> <hi rendition="#b">ist</hi> </p> <p> eine objektivische Erkenntniß. </p> <p>Bei <hi rendition="#b">ist</hi> faͤllt das zirkumskribirende persoͤnlichmachende, aus dem Zusammenhange der Dinge herausschneidende <hi rendition="#b">b</hi> ganz weg — weil wir vermoͤge desselben <hi rendition="#b">das Daseyn der Dinge in ihrem Zusammenhange,</hi> oder die <hi rendition="#b">Wahrheit</hi> erkennen sollen — es bezeichnet die außer sich wirkende, sich selbst vergessende angestrengte Denkkraft in ihrer Selbstthaͤtigkeit. </p> <p>Wenn wir nun erwaͤgen, was fuͤr eine erstaunliche Verschiedenheit zwischen unsrem Selbstge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0098]
den zweiten Wurzellaut n in bin gleichsam in uns hineinziehen, statt, daß wir es durch das st in bist gleichsam aus uns herausstoßen. —
Die zweite Person bist ist auf die Weise aus der ersten und dritten Person zusammengesetzt — das b von der ersten Person bedeutet die anschauende Erkenntniß, welche wir von einem Wesen außer uns haben, das vor uns da steht; und das st bezeichnet die Anstrengung unsrer Denkkraft, wodurch wir uns dasselbe demungeachtet, als außer uns vorstellen — also ist:
bin bist
in uns hineingedachtes aus uns herausgedachtes
Selbstgefuͤhl Selbstgefuͤhl
ist
eine objektivische Erkenntniß.
Bei ist faͤllt das zirkumskribirende persoͤnlichmachende, aus dem Zusammenhange der Dinge herausschneidende b ganz weg — weil wir vermoͤge desselben das Daseyn der Dinge in ihrem Zusammenhange, oder die Wahrheit erkennen sollen — es bezeichnet die außer sich wirkende, sich selbst vergessende angestrengte Denkkraft in ihrer Selbstthaͤtigkeit.
Wenn wir nun erwaͤgen, was fuͤr eine erstaunliche Verschiedenheit zwischen unsrem Selbstge-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/98>, abgerufen am 20.07.2024. |