Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Der Nachmittag war schulfrei; am Abend schon kam der Herr Schulmeister, versprach mich nicht zu strafen, ich soll nur wieder in die Schule
Der Nachmittag war schulfrei; am Abend schon kam der Herr Schulmeister, versprach mich nicht zu strafen, ich soll nur wieder in die Schule <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0089" n="89"/><lb/> aͤlteren Haut auf die juͤngere, und ich hatte das Vergnuͤgen allen zuzusehen. Nun kam die Reihe auch an mich; aber ich hielt das Verfahren des Lehrers fuͤr unangemessen, zweckwidrig und unvernuͤnftig; folglich fuͤr ungerecht. Nein, dieß thue ich nicht, Herr Schulmeister, sagte ich, die Strafe ist zu streng. Der Schulmeister, der von mir, als der ich immer einer der stillsten und folgsamsten war, diese Widersetzung nicht vermuthete, stutzte und sprach: Wie? nachdem alle andere geduldig ihre Strafe litten, so willst Du Dich widersetzen? Nur nicht lange gezaudert und gleich her. Jch war aber gleich gefaßt, und packte ganz gelassen meine Buͤcher zusammen; ging ohne ein Wort zu reden, ohne eine zornige oder saure oder laͤcherliche Mine zu machen, ganz stille zur Thuͤre hinaus. Doch machte dieses Verfahren des Schulmeisters solchen Eindruck auf mich, daß es mir, verbunden mit den Verweisen meiner Eltern, die freilich entweder nur anscheinend, aber doch nicht von vieler Bedeutung waren, die Lust beim Mittagessen benahm. Das Bewußtseyn und die Ueberzeugung hingegen von der Ungerechtigkeit des Schulmeisters und die daraus fließende Rechtfertigung meiner That gewaͤhrten mir wiederum die reinste Zufriedenheit. </p> <p>Der Nachmittag war schulfrei; am Abend schon kam der Herr Schulmeister, versprach mich nicht zu strafen, ich soll nur wieder in die Schule<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0089]
aͤlteren Haut auf die juͤngere, und ich hatte das Vergnuͤgen allen zuzusehen. Nun kam die Reihe auch an mich; aber ich hielt das Verfahren des Lehrers fuͤr unangemessen, zweckwidrig und unvernuͤnftig; folglich fuͤr ungerecht. Nein, dieß thue ich nicht, Herr Schulmeister, sagte ich, die Strafe ist zu streng. Der Schulmeister, der von mir, als der ich immer einer der stillsten und folgsamsten war, diese Widersetzung nicht vermuthete, stutzte und sprach: Wie? nachdem alle andere geduldig ihre Strafe litten, so willst Du Dich widersetzen? Nur nicht lange gezaudert und gleich her. Jch war aber gleich gefaßt, und packte ganz gelassen meine Buͤcher zusammen; ging ohne ein Wort zu reden, ohne eine zornige oder saure oder laͤcherliche Mine zu machen, ganz stille zur Thuͤre hinaus. Doch machte dieses Verfahren des Schulmeisters solchen Eindruck auf mich, daß es mir, verbunden mit den Verweisen meiner Eltern, die freilich entweder nur anscheinend, aber doch nicht von vieler Bedeutung waren, die Lust beim Mittagessen benahm. Das Bewußtseyn und die Ueberzeugung hingegen von der Ungerechtigkeit des Schulmeisters und die daraus fließende Rechtfertigung meiner That gewaͤhrten mir wiederum die reinste Zufriedenheit.
Der Nachmittag war schulfrei; am Abend schon kam der Herr Schulmeister, versprach mich nicht zu strafen, ich soll nur wieder in die Schule
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