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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

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ihren vorigen Liebhaber, besuchte sie, und brachte ihr, wie er vorgab, von seinem Bruder, einem Arzte, Medicin. Sie umarmte ihn sogleich, war außer sich vor Freude, und -- nahm ein. Jtzt ging ihr vermeinter Liebhaber weg; sie nahm zärtlichen Abschied von ihm, und schlief diese Nacht recht ruhig. Als er aber des andern Tages auf ihren Ruf nicht wieder kam, wurde ihr Zustand schlimmer. -- Das ihr abgedrungene Jawort scheint sie gereut, und diese schreckliche Wirkungen gehabt zu haben.



6. Ein physiologisch-psychologisches Problem.

Ew. etc. hab' ich neulich mündlich versprochen, Jhnen die Geschichte jener Frau, welche bei jeder Schwangerschaft das erste Glied ihres Fingers verloren hat, etwas umständlich zu überschreiben, wann ich zuvor in dieser Absicht noch einst diese Frau besuchet haben würde.

Die Frau, von welcher ich reden will, ist aus der Herrlichkeit Rheda gebürtig, und wohnet seit ihrer Ehe im Kirchsprengel Harsewinkel hiesigen Hochstifts als Eigenbehörige dieses Klosters Marienfeld, eine halbe Stunde von hier. Am Sonn-


ihren vorigen Liebhaber, besuchte sie, und brachte ihr, wie er vorgab, von seinem Bruder, einem Arzte, Medicin. Sie umarmte ihn sogleich, war außer sich vor Freude, und — nahm ein. Jtzt ging ihr vermeinter Liebhaber weg; sie nahm zaͤrtlichen Abschied von ihm, und schlief diese Nacht recht ruhig. Als er aber des andern Tages auf ihren Ruf nicht wieder kam, wurde ihr Zustand schlimmer. — Das ihr abgedrungene Jawort scheint sie gereut, und diese schreckliche Wirkungen gehabt zu haben.



6. Ein physiologisch-psychologisches Problem.

Ew. etc. hab' ich neulich muͤndlich versprochen, Jhnen die Geschichte jener Frau, welche bei jeder Schwangerschaft das erste Glied ihres Fingers verloren hat, etwas umstaͤndlich zu uͤberschreiben, wann ich zuvor in dieser Absicht noch einst diese Frau besuchet haben wuͤrde.

Die Frau, von welcher ich reden will, ist aus der Herrlichkeit Rheda gebuͤrtig, und wohnet seit ihrer Ehe im Kirchsprengel Harsewinkel hiesigen Hochstifts als Eigenbehoͤrige dieses Klosters Marienfeld, eine halbe Stunde von hier. Am Sonn-

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[45/0045] ihren vorigen Liebhaber, besuchte sie, und brachte ihr, wie er vorgab, von seinem Bruder, einem Arzte, Medicin. Sie umarmte ihn sogleich, war außer sich vor Freude, und — nahm ein. Jtzt ging ihr vermeinter Liebhaber weg; sie nahm zaͤrtlichen Abschied von ihm, und schlief diese Nacht recht ruhig. Als er aber des andern Tages auf ihren Ruf nicht wieder kam, wurde ihr Zustand schlimmer. — Das ihr abgedrungene Jawort scheint sie gereut, und diese schreckliche Wirkungen gehabt zu haben. 6. Ein physiologisch-psychologisches Problem. Ew. etc. hab' ich neulich muͤndlich versprochen, Jhnen die Geschichte jener Frau, welche bei jeder Schwangerschaft das erste Glied ihres Fingers verloren hat, etwas umstaͤndlich zu uͤberschreiben, wann ich zuvor in dieser Absicht noch einst diese Frau besuchet haben wuͤrde. Die Frau, von welcher ich reden will, ist aus der Herrlichkeit Rheda gebuͤrtig, und wohnet seit ihrer Ehe im Kirchsprengel Harsewinkel hiesigen Hochstifts als Eigenbehoͤrige dieses Klosters Marienfeld, eine halbe Stunde von hier. Am Sonn-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/45>, abgerufen am 28.04.2024.