Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/><lb/> unsre aufgegebnen Lektionen, welche in Auswendiglernung von Spruͤchen und Vokabeln oder in Uebersetzungen aus Langens Colloquien bestanden, alle Tage gelernt hatten. War dieses nicht geschehen, dann setzte es freilich Verweise, und, waren diese fruchtlos, auch Schlaͤge. Bei dieser Lehr- und Erziehungsweise befand ich mich immer noch besser als bei der erstern. Besonders wurde mein Koͤrper so abgehaͤrtet, daß ich, da ich nie Frost und Hitze, Regen und Schnee und alle moͤgliche Strapatzen scheute, mir so wenig Kraͤnklichkeiten dadurch zuzog, daß ich vielmehr diesen Uebungen eine unerschuͤtterte Gesundheit verdanke. — Dieß waren denn aber auch alle Vorzuͤge, die ich genoß. Außer dem Katechismus, Bibel, Nepos und Phaͤdrus kannten wir kein andres Buch, es sei denn die <hi rendition="#b">Geschichte der Feen,</hi> woraus ich zuweilen meiner Wohlthaͤterin vorlesen mußte! Von der Natur, von Gott und der Tugend kannten wir nichts, als was uns der uns nur allzuunverstaͤndliche Katechismus sagte. Doch lehrte mir meine Vernunft Dankbarkeit gegen meine Wohlthaͤter, die ich denn auch wiewohl ganz mechanisch uͤbte. Man konnte mich zu allem brauchen. Das Ansehen meiner Vorgesetzten war bei mir so groß, daß man mir etwas Boͤses haͤtte befehlen koͤnnen, wie auch einmal der Fall war, und ich haͤtte es ohne es zu beraisonniren treufleißig ausgeuͤbt. Daher machte man sich denn meine Dienstfertigkeit,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
unsre aufgegebnen Lektionen, welche in Auswendiglernung von Spruͤchen und Vokabeln oder in Uebersetzungen aus Langens Colloquien bestanden, alle Tage gelernt hatten. War dieses nicht geschehen, dann setzte es freilich Verweise, und, waren diese fruchtlos, auch Schlaͤge. Bei dieser Lehr- und Erziehungsweise befand ich mich immer noch besser als bei der erstern. Besonders wurde mein Koͤrper so abgehaͤrtet, daß ich, da ich nie Frost und Hitze, Regen und Schnee und alle moͤgliche Strapatzen scheute, mir so wenig Kraͤnklichkeiten dadurch zuzog, daß ich vielmehr diesen Uebungen eine unerschuͤtterte Gesundheit verdanke. — Dieß waren denn aber auch alle Vorzuͤge, die ich genoß. Außer dem Katechismus, Bibel, Nepos und Phaͤdrus kannten wir kein andres Buch, es sei denn die Geschichte der Feen, woraus ich zuweilen meiner Wohlthaͤterin vorlesen mußte! Von der Natur, von Gott und der Tugend kannten wir nichts, als was uns der uns nur allzuunverstaͤndliche Katechismus sagte. Doch lehrte mir meine Vernunft Dankbarkeit gegen meine Wohlthaͤter, die ich denn auch wiewohl ganz mechanisch uͤbte. Man konnte mich zu allem brauchen. Das Ansehen meiner Vorgesetzten war bei mir so groß, daß man mir etwas Boͤses haͤtte befehlen koͤnnen, wie auch einmal der Fall war, und ich haͤtte es ohne es zu beraisonniren treufleißig ausgeuͤbt. Daher machte man sich denn meine Dienstfertigkeit,
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