Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Nach einigen Tagen traf ich dieses Fischers Beichtvater, den Herrn P. B.., in einer Gesellschaft; unter andern kamen wir auf dieses Kind des Fischers in W.., ich bat mir sein Urtheil darüber aus. Er sagte mir, wie die Verzuckungen des Kindes in aller Art, Gebährden und Handlungen so außerordentlich wären, daß, wenn man noch in den Jahren lebte, da man Beseßne glaubte und glauben müßte, dieses Kind gewiß vor eine Beseßne würde seyn gehalten worden. Er hätte den Fischer noch vor einigen Tagen besucht; es wäre ihm aber ein Grausen angekommen, diesem Kinde, welches eben in Verzuckungen gewesen, lange zuzusehen. Man könnte nur davon urtheilen, wenn man es selbst sähe. Nach einer Woche darauf legte ich mit meiner Frau bei der Guthsherrschaft des Fischers M.. in W.. einen Besuch ab. Die Dame beklagte sich auch gegen meine Frau dieses Kindes wegen, wovon es schon im Dorfe durchgehends hieße, es wäre besessen; wünschte, daß ich dieses Töchterchen doch nur einmal sehen möchte; damit sie und
Nach einigen Tagen traf ich dieses Fischers Beichtvater, den Herrn P. B.., in einer Gesellschaft; unter andern kamen wir auf dieses Kind des Fischers in W.., ich bat mir sein Urtheil daruͤber aus. Er sagte mir, wie die Verzuckungen des Kindes in aller Art, Gebaͤhrden und Handlungen so außerordentlich waͤren, daß, wenn man noch in den Jahren lebte, da man Beseßne glaubte und glauben muͤßte, dieses Kind gewiß vor eine Beseßne wuͤrde seyn gehalten worden. Er haͤtte den Fischer noch vor einigen Tagen besucht; es waͤre ihm aber ein Grausen angekommen, diesem Kinde, welches eben in Verzuckungen gewesen, lange zuzusehen. Man koͤnnte nur davon urtheilen, wenn man es selbst saͤhe. Nach einer Woche darauf legte ich mit meiner Frau bei der Guthsherrschaft des Fischers M.. in W.. einen Besuch ab. Die Dame beklagte sich auch gegen meine Frau dieses Kindes wegen, wovon es schon im Dorfe durchgehends hieße, es waͤre besessen; wuͤnschte, daß ich dieses Toͤchterchen doch nur einmal sehen moͤchte; damit sie und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0028" n="28"/><lb/> dergleichen Verzuckungen bekaͤme, es wohl der beste Rath waͤre, der Natur den Willen zu lassen, Geduld zu haben und sich der Vorsehung zu unterwerfen. Denn da seinem Kinde so viele, die ganz besonders dazu gesetzt waͤren, nicht helfen koͤnnten, waͤre auch mein Versuch wohl immer vergebens. Er weinte bitterlich und ging nach Hause.</p> <p>Nach einigen Tagen traf ich dieses Fischers Beichtvater, den Herrn P. B.., in einer Gesellschaft; unter andern kamen wir auf dieses Kind des Fischers in W.., ich bat mir sein Urtheil daruͤber aus. Er sagte mir, wie die Verzuckungen des Kindes in aller Art, Gebaͤhrden und Handlungen so außerordentlich waͤren, daß, wenn man noch in den Jahren lebte, da man Beseßne glaubte und glauben muͤßte, dieses Kind gewiß vor eine Beseßne wuͤrde seyn gehalten worden. Er haͤtte den Fischer noch vor einigen Tagen besucht; es waͤre ihm aber ein Grausen angekommen, diesem Kinde, welches eben in Verzuckungen gewesen, lange zuzusehen. Man koͤnnte nur davon urtheilen, wenn man es selbst saͤhe.</p> <p>Nach einer Woche darauf legte ich mit meiner Frau bei der Guthsherrschaft des Fischers M.. in W.. einen Besuch ab. Die Dame beklagte sich auch gegen meine Frau dieses Kindes wegen, wovon es schon im Dorfe durchgehends hieße, es waͤre besessen; wuͤnschte, daß ich dieses Toͤchterchen doch nur einmal sehen moͤchte; damit sie und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0028]
dergleichen Verzuckungen bekaͤme, es wohl der beste Rath waͤre, der Natur den Willen zu lassen, Geduld zu haben und sich der Vorsehung zu unterwerfen. Denn da seinem Kinde so viele, die ganz besonders dazu gesetzt waͤren, nicht helfen koͤnnten, waͤre auch mein Versuch wohl immer vergebens. Er weinte bitterlich und ging nach Hause.
Nach einigen Tagen traf ich dieses Fischers Beichtvater, den Herrn P. B.., in einer Gesellschaft; unter andern kamen wir auf dieses Kind des Fischers in W.., ich bat mir sein Urtheil daruͤber aus. Er sagte mir, wie die Verzuckungen des Kindes in aller Art, Gebaͤhrden und Handlungen so außerordentlich waͤren, daß, wenn man noch in den Jahren lebte, da man Beseßne glaubte und glauben muͤßte, dieses Kind gewiß vor eine Beseßne wuͤrde seyn gehalten worden. Er haͤtte den Fischer noch vor einigen Tagen besucht; es waͤre ihm aber ein Grausen angekommen, diesem Kinde, welches eben in Verzuckungen gewesen, lange zuzusehen. Man koͤnnte nur davon urtheilen, wenn man es selbst saͤhe.
Nach einer Woche darauf legte ich mit meiner Frau bei der Guthsherrschaft des Fischers M.. in W.. einen Besuch ab. Die Dame beklagte sich auch gegen meine Frau dieses Kindes wegen, wovon es schon im Dorfe durchgehends hieße, es waͤre besessen; wuͤnschte, daß ich dieses Toͤchterchen doch nur einmal sehen moͤchte; damit sie und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |