wort hören, sondern zugleich sein Urtheil über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit derselben sagen sollte. Wenn er selbst gefragt wird: so ist Freude und Anstrengung gleich groß. Weiß er nicht gleich zu antworten: so ist es, als ob er nach einer Sache sähe, die in einer großen Entfernung von ihm ist. Bei dem kleinsten Geräusch andrer zeigt er dann eine Art von Unwillen, und mehr als einmal pflegt er durch sein: Still doch! alles rund herum in Ruhe zu bringen, damit er nur jetzt ungestört nachdenken könne. Jrgend etwas weiß er immer zu antworten, und selten ist es etwas ganz Unrichtiges. Seine Aufmerksamkeit ist schlechterdings nicht von der gemeinen und gewöhnlichen Art, sondern immer mit Nachdenken verbunden. Es kommt mir vor, daß er sich selbst schon gewisse Gesetze gemacht habe, wie er seine Kenntnisse vermehren und Wahrheit finden wolle; und das sind diese zwei: bei einigen Dingen Schwierigkeit auf Schwierigkeit zu häufen, um zu sehn, ob sie alle gehoben werden können; und dann: Dinge zu vertheidigen, gleichsam um andre geneigter zu machen, ihre Einwendungen dagegen vorzubringen. Als ich einmal gesagt hatte, daß man auf einem hohen Berge die dunkeln Wolken unter sich habe, und wie durch einen Nebel nach der Erde sehn müsse: so fiel ihm mit einemmale der Gedanke ein, wie man wieder herunterkommen, wie man den Weg wieder finden und vermeiden könne, daß man nicht herunterfalle,
wort hoͤren, sondern zugleich sein Urtheil uͤber die Richtigkeit oder Unrichtigkeit derselben sagen sollte. Wenn er selbst gefragt wird: so ist Freude und Anstrengung gleich groß. Weiß er nicht gleich zu antworten: so ist es, als ob er nach einer Sache saͤhe, die in einer großen Entfernung von ihm ist. Bei dem kleinsten Geraͤusch andrer zeigt er dann eine Art von Unwillen, und mehr als einmal pflegt er durch sein: Still doch! alles rund herum in Ruhe zu bringen, damit er nur jetzt ungestoͤrt nachdenken koͤnne. Jrgend etwas weiß er immer zu antworten, und selten ist es etwas ganz Unrichtiges. Seine Aufmerksamkeit ist schlechterdings nicht von der gemeinen und gewoͤhnlichen Art, sondern immer mit Nachdenken verbunden. Es kommt mir vor, daß er sich selbst schon gewisse Gesetze gemacht habe, wie er seine Kenntnisse vermehren und Wahrheit finden wolle; und das sind diese zwei: bei einigen Dingen Schwierigkeit auf Schwierigkeit zu haͤufen, um zu sehn, ob sie alle gehoben werden koͤnnen; und dann: Dinge zu vertheidigen, gleichsam um andre geneigter zu machen, ihre Einwendungen dagegen vorzubringen. Als ich einmal gesagt hatte, daß man auf einem hohen Berge die dunkeln Wolken unter sich habe, und wie durch einen Nebel nach der Erde sehn muͤsse: so fiel ihm mit einemmale der Gedanke ein, wie man wieder herunterkommen, wie man den Weg wieder finden und vermeiden koͤnne, daß man nicht herunterfalle,
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wort hoͤren, sondern zugleich sein Urtheil uͤber die Richtigkeit oder Unrichtigkeit derselben sagen sollte. Wenn er selbst gefragt wird: so ist Freude und Anstrengung gleich groß. Weiß er nicht gleich zu antworten: so ist es, als ob er nach einer Sache saͤhe, die in einer großen Entfernung von ihm ist. Bei dem kleinsten Geraͤusch andrer zeigt er dann eine Art von Unwillen, und mehr als einmal pflegt er durch sein: Still doch! alles rund herum in Ruhe zu bringen, damit er nur jetzt ungestoͤrt nachdenken koͤnne. Jrgend etwas weiß er immer zu antworten, und selten ist es etwas ganz Unrichtiges. Seine Aufmerksamkeit ist schlechterdings nicht von der gemeinen und gewoͤhnlichen Art, sondern immer mit Nachdenken verbunden. Es kommt mir vor, daß er sich selbst schon gewisse Gesetze gemacht habe, wie er seine Kenntnisse vermehren und Wahrheit finden wolle; und das sind diese zwei: bei einigen Dingen Schwierigkeit auf Schwierigkeit zu haͤufen, um zu sehn, ob sie alle gehoben werden koͤnnen; und dann: Dinge zu vertheidigen, gleichsam um andre geneigter zu machen, ihre Einwendungen dagegen vorzubringen. Als ich einmal gesagt hatte, daß man auf einem hohen Berge die dunkeln Wolken unter sich habe, und wie durch einen Nebel nach der Erde sehn muͤsse: so fiel ihm mit einemmale der Gedanke ein, wie man wieder herunterkommen, wie man den Weg wieder finden und vermeiden koͤnne, daß man nicht herunterfalle,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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wort hoͤren, sondern zugleich sein Urtheil uͤber die Richtigkeit oder Unrichtigkeit derselben sagen sollte. Wenn er selbst gefragt wird: so ist Freude und Anstrengung gleich groß. Weiß er nicht gleich zu antworten: so ist es, als ob er nach einer Sache saͤhe, die in einer großen Entfernung von ihm ist. Bei dem kleinsten Geraͤusch andrer zeigt er dann eine Art von Unwillen, und mehr als einmal pflegt er durch sein: Still doch! alles rund herum in Ruhe zu bringen, damit er nur jetzt ungestoͤrt nachdenken koͤnne. Jrgend etwas weiß er immer zu antworten, und selten ist es etwas ganz Unrichtiges. Seine Aufmerksamkeit ist schlechterdings nicht von der gemeinen und gewoͤhnlichen Art, sondern immer mit Nachdenken verbunden. Es kommt mir vor, daß er sich selbst schon gewisse Gesetze gemacht habe, wie er seine Kenntnisse vermehren und Wahrheit finden wolle; und das sind diese zwei: bei einigen Dingen Schwierigkeit auf Schwierigkeit zu haͤufen, um zu sehn, ob sie alle gehoben werden koͤnnen; und dann: Dinge zu vertheidigen, gleichsam um andre geneigter zu machen, ihre Einwendungen dagegen vorzubringen. Als ich einmal gesagt hatte, daß man auf einem hohen Berge die dunkeln Wolken unter sich habe, und wie durch einen Nebel nach der Erde sehn muͤsse: so fiel ihm mit einemmale der Gedanke ein, wie man wieder herunterkommen, wie man den Weg wieder finden und vermeiden koͤnne, daß man nicht herunterfalle,
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(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/120>, abgerufen am 16.02.2025.
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