Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Nun werfe ich dann auch einen forschenden Blick auf unser goldenes Alter zurück. Wie erinnere ich mich noch mit so vieler Wonne der unvermischten Freuden, die wir in unsern Kinderspielen hatten; des kleinen lieben Kämmerchens; des schönen Gartens; des sanft dahinrieselnden Baches, und der grünen Wiese, gerade gegenüber! wie lebhaft stehet mir noch des Nachbars Haus und die Gemälde an der Aussenseite desselben da; diese letztern hinterließen in meiner Vorstellung einen unauslöschlichen Abdruck, als ich meinen Geburtsort mit einem andern Auffenthalte umtauschte; so oft ich wieder dahin kam, war mir ihr Anblick jedesmal ein wahres, inniges Vergnügen, das mein ganzes Nervengefühl auf einen Punkt drängte; zu der Jdee dieser Gemälde die Jdeen meiner ganzen verflossenen Kindheit adsoziirte; und das wiederum den Strom jener seeligen unschuldigen Empfindungen in meine Seele mit verjüngter Stärke goß. Wie so voll Reitze und Liebe ist mir noch der Gedanke an den Herbsttumult, an die Geschäftigkeit der Bauren, an das wimmelnde hallende Feld; der schöne Anblick des erhabenen, schattigten Gebirges; überhaupt, die Anmuth, die mannichfaltigen ergötzenden Abwechslungen der Gegend, und das sanfte Landleben, dessen Reitze und Kostbar-
Nun werfe ich dann auch einen forschenden Blick auf unser goldenes Alter zuruͤck. Wie erinnere ich mich noch mit so vieler Wonne der unvermischten Freuden, die wir in unsern Kinderspielen hatten; des kleinen lieben Kaͤmmerchens; des schoͤnen Gartens; des sanft dahinrieselnden Baches, und der gruͤnen Wiese, gerade gegenuͤber! wie lebhaft stehet mir noch des Nachbars Haus und die Gemaͤlde an der Aussenseite desselben da; diese letztern hinterließen in meiner Vorstellung einen unausloͤschlichen Abdruck, als ich meinen Geburtsort mit einem andern Auffenthalte umtauschte; so oft ich wieder dahin kam, war mir ihr Anblick jedesmal ein wahres, inniges Vergnuͤgen, das mein ganzes Nervengefuͤhl auf einen Punkt draͤngte; zu der Jdee dieser Gemaͤlde die Jdeen meiner ganzen verflossenen Kindheit adsoziirte; und das wiederum den Strom jener seeligen unschuldigen Empfindungen in meine Seele mit verjuͤngter Staͤrke goß. Wie so voll Reitze und Liebe ist mir noch der Gedanke an den Herbsttumult, an die Geschaͤftigkeit der Bauren, an das wimmelnde hallende Feld; der schoͤne Anblick des erhabenen, schattigten Gebirges; uͤberhaupt, die Anmuth, die mannichfaltigen ergoͤtzenden Abwechslungen der Gegend, und das sanfte Landleben, dessen Reitze und Kostbar- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0068" n="68"/><lb/> vollen Augenblick? O Reue und Schmerzen ergreifen mich, uͤber jeden ihnen verursachten Verdruß, uͤber jede ihnen verdrießliche Miene! </p> <p>Nun werfe ich dann auch einen forschenden Blick auf unser goldenes Alter zuruͤck. Wie erinnere ich mich noch mit so vieler Wonne der unvermischten Freuden, die wir in unsern Kinderspielen hatten; des kleinen lieben Kaͤmmerchens; des schoͤnen Gartens; des sanft dahinrieselnden Baches, und der gruͤnen Wiese, gerade gegenuͤber! wie lebhaft stehet mir noch des Nachbars Haus und die Gemaͤlde an der Aussenseite desselben da; diese letztern hinterließen in meiner Vorstellung einen unausloͤschlichen Abdruck, als ich meinen Geburtsort mit einem andern Auffenthalte umtauschte; so oft ich wieder dahin kam, war mir ihr Anblick jedesmal ein wahres, inniges Vergnuͤgen, das mein ganzes Nervengefuͤhl auf einen Punkt draͤngte; zu der Jdee dieser Gemaͤlde die Jdeen meiner ganzen verflossenen Kindheit adsoziirte; und das wiederum den Strom jener seeligen unschuldigen Empfindungen in meine Seele mit verjuͤngter Staͤrke goß. Wie so voll Reitze und Liebe ist mir noch der Gedanke an den Herbsttumult, an die Geschaͤftigkeit der Bauren, an das wimmelnde hallende Feld; der schoͤne Anblick des erhabenen, schattigten Gebirges; uͤberhaupt, die Anmuth, die mannichfaltigen ergoͤtzenden Abwechslungen der Gegend, und das sanfte Landleben, dessen Reitze und Kostbar-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0068]
vollen Augenblick? O Reue und Schmerzen ergreifen mich, uͤber jeden ihnen verursachten Verdruß, uͤber jede ihnen verdrießliche Miene!
Nun werfe ich dann auch einen forschenden Blick auf unser goldenes Alter zuruͤck. Wie erinnere ich mich noch mit so vieler Wonne der unvermischten Freuden, die wir in unsern Kinderspielen hatten; des kleinen lieben Kaͤmmerchens; des schoͤnen Gartens; des sanft dahinrieselnden Baches, und der gruͤnen Wiese, gerade gegenuͤber! wie lebhaft stehet mir noch des Nachbars Haus und die Gemaͤlde an der Aussenseite desselben da; diese letztern hinterließen in meiner Vorstellung einen unausloͤschlichen Abdruck, als ich meinen Geburtsort mit einem andern Auffenthalte umtauschte; so oft ich wieder dahin kam, war mir ihr Anblick jedesmal ein wahres, inniges Vergnuͤgen, das mein ganzes Nervengefuͤhl auf einen Punkt draͤngte; zu der Jdee dieser Gemaͤlde die Jdeen meiner ganzen verflossenen Kindheit adsoziirte; und das wiederum den Strom jener seeligen unschuldigen Empfindungen in meine Seele mit verjuͤngter Staͤrke goß. Wie so voll Reitze und Liebe ist mir noch der Gedanke an den Herbsttumult, an die Geschaͤftigkeit der Bauren, an das wimmelnde hallende Feld; der schoͤne Anblick des erhabenen, schattigten Gebirges; uͤberhaupt, die Anmuth, die mannichfaltigen ergoͤtzenden Abwechslungen der Gegend, und das sanfte Landleben, dessen Reitze und Kostbar-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/68>, abgerufen am 16.02.2025. |