schien ihm das Ebräische sehr viel Vergnügen zu machen, denn als er die Ebräische Bibel auch daselbst fand, verweilte er lange dabei, und trat endlich an den Pult und brummte einige Minuten nach seinen Gedanken diese Sprache her, indem er die Gestikulationen eines gewissen Predigers sehr gut dabei nachahmte. Nachdem er nun auf diese Art seine Neubegierde gestillet, verließ er lachend das Zimmer; überhaupt habe ich bemerkt, daß, wenn er erst einmal anfing über eine Sache zu lachen, er alsdann gar nicht wieder aufhören konnte, und oft mußte er dieses Lächerliche auch unter den ernsthaftesten Beschäftigungen und ermüdendsten Arbeiten recht lebhaft wieder in seine Seele zurückrufen, denn oft fing er unter der Arbeit von freien Stücken laut an zu lachen, ohne daß man nur im geringsten wußte warum; auf Befragen um die Ursache, zeigte er, was ihn vor einigen Tagen, ja ich weiß Fälle, daß es Wochen waren, lächerliches vorgekommen sei; die Jdee des Lächerlichen mußte sich also so tief in seine Seele eingeprägt haben, daß auch andere Vorstellungen dieselbe nicht ganz aus seinen Gedanken zu verdrängen im Stande waren; warum aber die Eindrücke so unauslöschlich aus der Seele eines taubstummen Menschen sind, dieses läßt sich nach meinen wenigen Einsichten aus sehr natürlichen Ursachen leicht erklären.
schien ihm das Ebraͤische sehr viel Vergnuͤgen zu machen, denn als er die Ebraͤische Bibel auch daselbst fand, verweilte er lange dabei, und trat endlich an den Pult und brummte einige Minuten nach seinen Gedanken diese Sprache her, indem er die Gestikulationen eines gewissen Predigers sehr gut dabei nachahmte. Nachdem er nun auf diese Art seine Neubegierde gestillet, verließ er lachend das Zimmer; uͤberhaupt habe ich bemerkt, daß, wenn er erst einmal anfing uͤber eine Sache zu lachen, er alsdann gar nicht wieder aufhoͤren konnte, und oft mußte er dieses Laͤcherliche auch unter den ernsthaftesten Beschaͤftigungen und ermuͤdendsten Arbeiten recht lebhaft wieder in seine Seele zuruͤckrufen, denn oft fing er unter der Arbeit von freien Stuͤcken laut an zu lachen, ohne daß man nur im geringsten wußte warum; auf Befragen um die Ursache, zeigte er, was ihn vor einigen Tagen, ja ich weiß Faͤlle, daß es Wochen waren, laͤcherliches vorgekommen sei; die Jdee des Laͤcherlichen mußte sich also so tief in seine Seele eingepraͤgt haben, daß auch andere Vorstellungen dieselbe nicht ganz aus seinen Gedanken zu verdraͤngen im Stande waren; warum aber die Eindruͤcke so unausloͤschlich aus der Seele eines taubstummen Menschen sind, dieses laͤßt sich nach meinen wenigen Einsichten aus sehr natuͤrlichen Ursachen leicht erklaͤren.
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schien ihm das Ebraͤische sehr viel Vergnuͤgen zu machen, denn als er die Ebraͤische Bibel auch daselbst fand, verweilte er lange dabei, und trat endlich an den Pult und brummte einige Minuten nach seinen Gedanken diese Sprache her, indem er die Gestikulationen eines gewissen Predigers sehr gut dabei nachahmte. Nachdem er nun auf diese Art seine Neubegierde gestillet, verließ er lachend das Zimmer; uͤberhaupt habe ich bemerkt, daß, wenn er erst einmal anfing uͤber eine Sache zu lachen, er alsdann gar nicht wieder aufhoͤren konnte, und oft mußte er dieses Laͤcherliche auch unter den ernsthaftesten Beschaͤftigungen und ermuͤdendsten Arbeiten recht lebhaft wieder in seine Seele zuruͤckrufen, denn oft fing er unter der Arbeit von freien Stuͤcken laut an zu lachen, ohne daß man nur im geringsten wußte warum; auf Befragen um die Ursache, zeigte er, was ihn vor einigen Tagen, ja ich weiß Faͤlle, daß es Wochen waren, laͤcherliches vorgekommen sei; die Jdee des Laͤcherlichen mußte sich also so tief in seine Seele eingepraͤgt haben, daß auch andere Vorstellungen dieselbe nicht ganz aus seinen Gedanken zu verdraͤngen im Stande waren; warum aber die Eindruͤcke so unausloͤschlich aus der Seele eines taubstummen Menschen sind, dieses laͤßt sich nach meinen wenigen Einsichten aus sehr natuͤrlichen Ursachen leicht erklaͤren. </p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
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schien ihm das Ebraͤische sehr viel Vergnuͤgen zu machen, denn als er die Ebraͤische Bibel auch daselbst fand, verweilte er lange dabei, und trat endlich an den Pult und brummte einige Minuten nach seinen Gedanken diese Sprache her, indem er die Gestikulationen eines gewissen Predigers sehr gut dabei nachahmte. Nachdem er nun auf diese Art seine Neubegierde gestillet, verließ er lachend das Zimmer; uͤberhaupt habe ich bemerkt, daß, wenn er erst einmal anfing uͤber eine Sache zu lachen, er alsdann gar nicht wieder aufhoͤren konnte, und oft mußte er dieses Laͤcherliche auch unter den ernsthaftesten Beschaͤftigungen und ermuͤdendsten Arbeiten recht lebhaft wieder in seine Seele zuruͤckrufen, denn oft fing er unter der Arbeit von freien Stuͤcken laut an zu lachen, ohne daß man nur im geringsten wußte warum; auf Befragen um die Ursache, zeigte er, was ihn vor einigen Tagen, ja ich weiß Faͤlle, daß es Wochen waren, laͤcherliches vorgekommen sei; die Jdee des Laͤcherlichen mußte sich also so tief in seine Seele eingepraͤgt haben, daß auch andere Vorstellungen dieselbe nicht ganz aus seinen Gedanken zu verdraͤngen im Stande waren; warum aber die Eindruͤcke so unausloͤschlich aus der Seele eines taubstummen Menschen sind, dieses laͤßt sich nach meinen wenigen Einsichten aus sehr natuͤrlichen Ursachen leicht erklaͤren.
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/50>, abgerufen am 17.02.2025.
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