Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite


kam in die Dienste eines herumreisenden Charlatans, welcher sich für einen kaiserl. königl. Leibarzt ausgab, und zu Konstantinopel gestorben seyn soll, mit welchem unser M. M. verschiedene Länder durchreiset zu haben vorgiebt.

Sein Geschick führte ihn hierauf nach Curland, das Land, wo aurea praxis dem fähigen Kopf sowohl, als dem elendesten Stümper zu Theil wird, wenn er nur eine geläufige Zunge hat. Unser M. M. ist ein Beweis davon. Er diente (zum wenigsten seiner Aussage nach) verschiedenen Edelleuten als Arzt und Wundarzt. Kaum ists glaublich, daß ein Mensch, dessen pöbelhafte Gesichtszüge, Ausdrücke und Mundart seine ganze Unwissenheit verrathen, Leute von Stande so weit getäuscht haben sollte.

Die Art und Weise, wie M. M. den Vorfall bei dem Edelmann in Schameitten erzählt, legt seine Jgnoranz in natürlichen Dingen gänzlich an den Tag. Der Edelmann ließ ein Gewölbe, über welchem ehemals ein Kloster gestanden, untersuchen. Als die Thüre eröfnet war, und vor dem Dunst kein Licht ausdauren konnte, so stieg M. M. in der Ueberzeugung, daß ihm weder Teufel noch Gespenster etwas anhaben könnten, in das Gewölbe herunter, indem er nach Aussage der Akten Fol. 13. b. ein Johanniswürmchen (oder ein Stückchen faules Holz, wie er sich gegen mich äußerte) auf einen messingenen Spiegel legte, um das Gewölbe


kam in die Dienste eines herumreisenden Charlatans, welcher sich fuͤr einen kaiserl. koͤnigl. Leibarzt ausgab, und zu Konstantinopel gestorben seyn soll, mit welchem unser M. M. verschiedene Laͤnder durchreiset zu haben vorgiebt.

Sein Geschick fuͤhrte ihn hierauf nach Curland, das Land, wo aurea praxis dem faͤhigen Kopf sowohl, als dem elendesten Stuͤmper zu Theil wird, wenn er nur eine gelaͤufige Zunge hat. Unser M. M. ist ein Beweis davon. Er diente (zum wenigsten seiner Aussage nach) verschiedenen Edelleuten als Arzt und Wundarzt. Kaum ists glaublich, daß ein Mensch, dessen poͤbelhafte Gesichtszuͤge, Ausdruͤcke und Mundart seine ganze Unwissenheit verrathen, Leute von Stande so weit getaͤuscht haben sollte.

Die Art und Weise, wie M. M. den Vorfall bei dem Edelmann in Schameitten erzaͤhlt, legt seine Jgnoranz in natuͤrlichen Dingen gaͤnzlich an den Tag. Der Edelmann ließ ein Gewoͤlbe, uͤber welchem ehemals ein Kloster gestanden, untersuchen. Als die Thuͤre eroͤfnet war, und vor dem Dunst kein Licht ausdauren konnte, so stieg M. M. in der Ueberzeugung, daß ihm weder Teufel noch Gespenster etwas anhaben koͤnnten, in das Gewoͤlbe herunter, indem er nach Aussage der Akten Fol. 13. b. ein Johanniswuͤrmchen (oder ein Stuͤckchen faules Holz, wie er sich gegen mich aͤußerte) auf einen messingenen Spiegel legte, um das Gewoͤlbe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0029" n="29"/><lb/>
kam in die Dienste eines herumreisenden                   Charlatans, welcher sich fu&#x0364;r einen kaiserl. ko&#x0364;nigl. Leibarzt ausgab, und zu                   Konstantinopel gestorben seyn soll, mit welchem unser M. M. verschiedene La&#x0364;nder                   durchreiset zu haben vorgiebt. </p>
              <p>Sein Geschick fu&#x0364;hrte ihn hierauf nach Curland, das Land, wo <hi rendition="#b">aurea praxis</hi> dem fa&#x0364;higen Kopf sowohl, als dem elendesten Stu&#x0364;mper zu                   Theil wird, wenn er nur eine gela&#x0364;ufige Zunge hat. Unser M. M. ist ein Beweis                   davon. Er diente (zum wenigsten seiner Aussage nach) verschiedenen Edelleuten als                   Arzt und Wundarzt. Kaum ists glaublich, daß ein Mensch, dessen po&#x0364;belhafte                   Gesichtszu&#x0364;ge, Ausdru&#x0364;cke und Mundart seine ganze Unwissenheit verrathen, Leute von                   Stande so weit geta&#x0364;uscht haben sollte. </p>
              <p>Die Art und Weise, wie M. M. den Vorfall bei dem Edelmann in Schameitten erza&#x0364;hlt,                   legt seine Jgnoranz in natu&#x0364;rlichen Dingen ga&#x0364;nzlich an den Tag. Der Edelmann ließ                   ein Gewo&#x0364;lbe, u&#x0364;ber welchem ehemals ein Kloster gestanden, untersuchen. Als die                   Thu&#x0364;re ero&#x0364;fnet war, und vor dem Dunst kein Licht ausdauren konnte, so stieg M. M.                   in der Ueberzeugung, daß ihm weder <hi rendition="#b">Teufel</hi> noch <hi rendition="#b">Gespenster</hi> etwas anhaben ko&#x0364;nnten, in das Gewo&#x0364;lbe herunter,                   indem er nach Aussage der Akten <hi rendition="#b">Fol. 13. b.</hi> ein                   Johanniswu&#x0364;rmchen (oder ein Stu&#x0364;ckchen faules Holz, wie er sich gegen mich a&#x0364;ußerte)                   auf einen messingenen Spiegel legte, um das Gewo&#x0364;lbe<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0029] kam in die Dienste eines herumreisenden Charlatans, welcher sich fuͤr einen kaiserl. koͤnigl. Leibarzt ausgab, und zu Konstantinopel gestorben seyn soll, mit welchem unser M. M. verschiedene Laͤnder durchreiset zu haben vorgiebt. Sein Geschick fuͤhrte ihn hierauf nach Curland, das Land, wo aurea praxis dem faͤhigen Kopf sowohl, als dem elendesten Stuͤmper zu Theil wird, wenn er nur eine gelaͤufige Zunge hat. Unser M. M. ist ein Beweis davon. Er diente (zum wenigsten seiner Aussage nach) verschiedenen Edelleuten als Arzt und Wundarzt. Kaum ists glaublich, daß ein Mensch, dessen poͤbelhafte Gesichtszuͤge, Ausdruͤcke und Mundart seine ganze Unwissenheit verrathen, Leute von Stande so weit getaͤuscht haben sollte. Die Art und Weise, wie M. M. den Vorfall bei dem Edelmann in Schameitten erzaͤhlt, legt seine Jgnoranz in natuͤrlichen Dingen gaͤnzlich an den Tag. Der Edelmann ließ ein Gewoͤlbe, uͤber welchem ehemals ein Kloster gestanden, untersuchen. Als die Thuͤre eroͤfnet war, und vor dem Dunst kein Licht ausdauren konnte, so stieg M. M. in der Ueberzeugung, daß ihm weder Teufel noch Gespenster etwas anhaben koͤnnten, in das Gewoͤlbe herunter, indem er nach Aussage der Akten Fol. 13. b. ein Johanniswuͤrmchen (oder ein Stuͤckchen faules Holz, wie er sich gegen mich aͤußerte) auf einen messingenen Spiegel legte, um das Gewoͤlbe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/29
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/29>, abgerufen am 23.11.2024.