Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
Der Hauptakteur in diesem besondern Vorfall ist der verabschiedete Soldat M. M., von welchem der Herr Jnquirent Fol. 22 Actorum nicht mit Unrecht vermuthet, daß er ein Windbeutel und Betrüger sei; doch halte ich dafür, daß er ein selbst betrogener Betrüger, und ein Mensch sei, dessen Erziehung gänzlich verwahrloset und dessen Kopf von seinen ersten Jahren an mit Windbeuteleyen angefüllt und mit abentheuerlichen Jdeen genährt worden. Seine Lebensgeschichte, wie ich sie theils aus den Akten, theils aus einer langen Unterhaltung mit ihm erfahren habe, wird meinen Ausspruch rechtfertigen. M. M. ist aus Tönningen im Holsteinischen gebürtig, jetzt ohngefähr einundvierzig Jahr alt. Er kam in seiner Jugend bei einem Bader und hernach bei einem Regimentsfeldscheer in die Lehre. Wie schlecht und elend aber sein Unterricht in der Chirurgie gewesen seyn müsse, läßt sich aus seinen Ausdrücken schließen: er sagt, "ich lernte Feldschery und Badery." Er diente hierauf als gemeiner Soldat in Dänischen Diensten; desertirte,
Der Hauptakteur in diesem besondern Vorfall ist der verabschiedete Soldat M. M., von welchem der Herr Jnquirent Fol. 22 Actorum nicht mit Unrecht vermuthet, daß er ein Windbeutel und Betruͤger sei; doch halte ich dafuͤr, daß er ein selbst betrogener Betruͤger, und ein Mensch sei, dessen Erziehung gaͤnzlich verwahrloset und dessen Kopf von seinen ersten Jahren an mit Windbeuteleyen angefuͤllt und mit abentheuerlichen Jdeen genaͤhrt worden. Seine Lebensgeschichte, wie ich sie theils aus den Akten, theils aus einer langen Unterhaltung mit ihm erfahren habe, wird meinen Ausspruch rechtfertigen. M. M. ist aus Toͤnningen im Holsteinischen gebuͤrtig, jetzt ohngefaͤhr einundvierzig Jahr alt. Er kam in seiner Jugend bei einem Bader und hernach bei einem Regimentsfeldscheer in die Lehre. Wie schlecht und elend aber sein Unterricht in der Chirurgie gewesen seyn muͤsse, laͤßt sich aus seinen Ausdruͤcken schließen: er sagt, »ich lernte Feldschery und Badery.« Er diente hierauf als gemeiner Soldat in Daͤnischen Diensten; desertirte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0028" n="28"/><lb/> bergeschichte, deren Verlauf und Veranlassung in den Untersuchungsakten wider M. M. <hi rendition="#b">Sch***</hi> und <hi rendition="#b">T***</hi> enthalten, welche mir von Ew. Wohlloͤbl. hiesigen Stadtgerichts <hi rendition="#b">sub dato</hi> den 9ten <hi rendition="#b">& praes.</hi> den 16ten September <hi rendition="#b">a. c.</hi> zugleich mit dem Auftrag, den Gemuͤthszustand des <hi rendition="#b">T***</hi> und M. M. zu untersuchen, zugeschickt worden. </p> <p>Der Hauptakteur in diesem besondern Vorfall ist der verabschiedete Soldat M. M., von welchem der Herr Jnquirent <hi rendition="#aq">Fol. 22 Actorum</hi> nicht mit Unrecht vermuthet, daß er ein Windbeutel und Betruͤger sei; doch halte ich dafuͤr, daß er ein selbst betrogener Betruͤger, und ein Mensch sei, dessen Erziehung gaͤnzlich verwahrloset und dessen Kopf von seinen ersten Jahren an mit Windbeuteleyen angefuͤllt und mit abentheuerlichen Jdeen genaͤhrt worden. Seine Lebensgeschichte, wie ich sie theils aus den Akten, theils aus einer langen Unterhaltung mit ihm erfahren habe, wird meinen Ausspruch rechtfertigen. </p> <p>M. M. ist aus Toͤnningen im Holsteinischen gebuͤrtig, jetzt ohngefaͤhr einundvierzig Jahr alt. Er kam in seiner Jugend bei einem Bader und hernach bei einem Regimentsfeldscheer in die Lehre. Wie schlecht und elend aber sein Unterricht in der Chirurgie gewesen seyn muͤsse, laͤßt sich aus seinen Ausdruͤcken schließen: er sagt, »ich lernte <hi rendition="#b">Feldschery</hi> und <hi rendition="#b">Badery.«</hi> Er diente hierauf als gemeiner Soldat in Daͤnischen Diensten; desertirte,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0028]
bergeschichte, deren Verlauf und Veranlassung in den Untersuchungsakten wider M. M. Sch*** und T*** enthalten, welche mir von Ew. Wohlloͤbl. hiesigen Stadtgerichts sub dato den 9ten & praes. den 16ten September a. c. zugleich mit dem Auftrag, den Gemuͤthszustand des T*** und M. M. zu untersuchen, zugeschickt worden.
Der Hauptakteur in diesem besondern Vorfall ist der verabschiedete Soldat M. M., von welchem der Herr Jnquirent Fol. 22 Actorum nicht mit Unrecht vermuthet, daß er ein Windbeutel und Betruͤger sei; doch halte ich dafuͤr, daß er ein selbst betrogener Betruͤger, und ein Mensch sei, dessen Erziehung gaͤnzlich verwahrloset und dessen Kopf von seinen ersten Jahren an mit Windbeuteleyen angefuͤllt und mit abentheuerlichen Jdeen genaͤhrt worden. Seine Lebensgeschichte, wie ich sie theils aus den Akten, theils aus einer langen Unterhaltung mit ihm erfahren habe, wird meinen Ausspruch rechtfertigen.
M. M. ist aus Toͤnningen im Holsteinischen gebuͤrtig, jetzt ohngefaͤhr einundvierzig Jahr alt. Er kam in seiner Jugend bei einem Bader und hernach bei einem Regimentsfeldscheer in die Lehre. Wie schlecht und elend aber sein Unterricht in der Chirurgie gewesen seyn muͤsse, laͤßt sich aus seinen Ausdruͤcken schließen: er sagt, »ich lernte Feldschery und Badery.« Er diente hierauf als gemeiner Soldat in Daͤnischen Diensten; desertirte,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/28>, abgerufen am 18.07.2024. |