Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
Seine Begierde, eine höhere Stufe zu erlangen, hat vieles von dem Eifer und der Freude verloren, womit sie sonst verbunden war, und dies vielleicht bloß deshalb, weil er wirklich eine Klasse höher hinauf gerückt ist. Seine Kenntnisse verdienten dieß, aber seinen Jahren nach wäre es vielleicht gut gewesen, wenn es nicht geschehen wäre. Er scheint sich nun durch mehr Geräusch, durch äußre Nebenbeschäftigungen gleichsam ein Ansehn geben zu wollen, damit er bemerkt werde, und eben so viel gelte, als ein andrer, der größer ist. Diesen Zug hab ich sehr häufig bei ihm beobachtet, und er ist überall bei ihm sichtbar. Sein Gang ist hüpfender, sein Auge schalkhafter, seine Bewegungen mit den Händen mannigfaltiger und seine Sprache stärker und lebhafter geworden. Wenn er glaubt unbemerkt zu seyn, so mischt er sich unter die Größern, und ersetzt wenigstens durch seine Dreistigkeit, was ihm an Leibesstärke abgeht. Gegen Verweise scheint er gleichgültiger oder eigentlich launischer geworden zu seyn, nur bei Aufmuntrungen bleibt er sich völlig gleich. Da funkelt in seinem Auge das Guthmüthige, das Herzliche, und da zeigt sich in der kleinsten von seinen Minen lebhaft empfundne Freude, die
Seine Begierde, eine hoͤhere Stufe zu erlangen, hat vieles von dem Eifer und der Freude verloren, womit sie sonst verbunden war, und dies vielleicht bloß deshalb, weil er wirklich eine Klasse hoͤher hinauf geruͤckt ist. Seine Kenntnisse verdienten dieß, aber seinen Jahren nach waͤre es vielleicht gut gewesen, wenn es nicht geschehen waͤre. Er scheint sich nun durch mehr Geraͤusch, durch aͤußre Nebenbeschaͤftigungen gleichsam ein Ansehn geben zu wollen, damit er bemerkt werde, und eben so viel gelte, als ein andrer, der groͤßer ist. Diesen Zug hab ich sehr haͤufig bei ihm beobachtet, und er ist uͤberall bei ihm sichtbar. Sein Gang ist huͤpfender, sein Auge schalkhafter, seine Bewegungen mit den Haͤnden mannigfaltiger und seine Sprache staͤrker und lebhafter geworden. Wenn er glaubt unbemerkt zu seyn, so mischt er sich unter die Groͤßern, und ersetzt wenigstens durch seine Dreistigkeit, was ihm an Leibesstaͤrke abgeht. Gegen Verweise scheint er gleichguͤltiger oder eigentlich launischer geworden zu seyn, nur bei Aufmuntrungen bleibt er sich voͤllig gleich. Da funkelt in seinem Auge das Guthmuͤthige, das Herzliche, und da zeigt sich in der kleinsten von seinen Minen lebhaft empfundne Freude, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="81"/><lb/> halten, aber seine Flatterhaftigkeit, sein Leichtsinn, macht es tadelnswerther als ehemals. </p> <p>Seine Begierde, eine hoͤhere Stufe zu erlangen, hat vieles von dem Eifer und der Freude verloren, womit sie sonst verbunden war, und dies vielleicht bloß deshalb, weil er wirklich eine Klasse hoͤher hinauf geruͤckt ist. </p> <p>Seine Kenntnisse verdienten dieß, aber seinen Jahren nach waͤre es vielleicht gut gewesen, wenn es nicht geschehen waͤre. </p> <p>Er scheint sich nun durch mehr Geraͤusch, durch aͤußre Nebenbeschaͤftigungen gleichsam ein Ansehn geben zu wollen, damit er bemerkt werde, und eben so viel gelte, als ein andrer, der groͤßer ist. </p> <p>Diesen Zug hab ich sehr haͤufig bei ihm beobachtet, und er ist uͤberall bei ihm sichtbar. Sein Gang ist huͤpfender, sein Auge schalkhafter, seine Bewegungen mit den Haͤnden mannigfaltiger und seine Sprache staͤrker und lebhafter geworden. Wenn er glaubt unbemerkt zu seyn, so mischt er sich unter die Groͤßern, und ersetzt wenigstens durch seine Dreistigkeit, was ihm an Leibesstaͤrke abgeht. </p> <p>Gegen Verweise scheint er gleichguͤltiger oder eigentlich launischer geworden zu seyn, nur bei Aufmuntrungen bleibt er sich voͤllig gleich. </p> <p>Da funkelt in seinem Auge das Guthmuͤthige, das Herzliche, und da zeigt sich in der kleinsten von seinen Minen lebhaft empfundne Freude, die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0083]
halten, aber seine Flatterhaftigkeit, sein Leichtsinn, macht es tadelnswerther als ehemals.
Seine Begierde, eine hoͤhere Stufe zu erlangen, hat vieles von dem Eifer und der Freude verloren, womit sie sonst verbunden war, und dies vielleicht bloß deshalb, weil er wirklich eine Klasse hoͤher hinauf geruͤckt ist.
Seine Kenntnisse verdienten dieß, aber seinen Jahren nach waͤre es vielleicht gut gewesen, wenn es nicht geschehen waͤre.
Er scheint sich nun durch mehr Geraͤusch, durch aͤußre Nebenbeschaͤftigungen gleichsam ein Ansehn geben zu wollen, damit er bemerkt werde, und eben so viel gelte, als ein andrer, der groͤßer ist.
Diesen Zug hab ich sehr haͤufig bei ihm beobachtet, und er ist uͤberall bei ihm sichtbar. Sein Gang ist huͤpfender, sein Auge schalkhafter, seine Bewegungen mit den Haͤnden mannigfaltiger und seine Sprache staͤrker und lebhafter geworden. Wenn er glaubt unbemerkt zu seyn, so mischt er sich unter die Groͤßern, und ersetzt wenigstens durch seine Dreistigkeit, was ihm an Leibesstaͤrke abgeht.
Gegen Verweise scheint er gleichguͤltiger oder eigentlich launischer geworden zu seyn, nur bei Aufmuntrungen bleibt er sich voͤllig gleich.
Da funkelt in seinem Auge das Guthmuͤthige, das Herzliche, und da zeigt sich in der kleinsten von seinen Minen lebhaft empfundne Freude, die
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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