Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.Jn einer zu großen Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse der Dinge, ohne Rücksicht auf die Dinge selbst. Statt daß ich also die Vorstellungen des Trägen mehr in Verbindung, in Wirkung und Gegenwirkung aufeinander zu bringen suche, muß ich die Vorstellungen des Neidischen, so lange die Seelenkur dauert, vom Morgen bis an den Abend, bei allen Gegenständen, die er um sich her erblickt, zu isoliren suchen. Jch muß ihn durch Uebung lehren, das, womit sich seine Denkkraft beschäftiget, ganz an und für sich, und in sich vollendet, ohne Rücksicht auf irgend etwas anders, zu betrachten. -- Die Habsucht scheint in einer Verwöhnung der vorstellenden Kraft zu liegen, sich mit den Dingen außer sich zu oft zusammen zu denken; wodurch man am Ende unfähig wird, die gehörigen Grenzlinien zwischen seinem Jch, und den nächsten Umkreisen desselben zu ziehen. Wo also die Anlage zu dieser Seelenkrankheit bemerkt wird, da kömmt es wohl vorzüglich darauf an, daß man der verwöhnten Denkkraft vom Morgen bis an den Abend, dadurch entgegen zu arbeiten sucht, daß man bei der Betrachtung aller äußern Gegenstände, die Grenzlinie zwischen denselben und unsrem Jch so genau wie möglich zieht. -- Daß man ihren abstechenden Unwerth gegen das denkende Wesen immer auffallender macht. -- Und die ganze Summe von Vorstellungen, die unter dem Haben be- Jn einer zu großen Aufmerksamkeit auf die Verhaͤltnisse der Dinge, ohne Ruͤcksicht auf die Dinge selbst. Statt daß ich also die Vorstellungen des Traͤgen mehr in Verbindung, in Wirkung und Gegenwirkung aufeinander zu bringen suche, muß ich die Vorstellungen des Neidischen, so lange die Seelenkur dauert, vom Morgen bis an den Abend, bei allen Gegenstaͤnden, die er um sich her erblickt, zu isoliren suchen. Jch muß ihn durch Uebung lehren, das, womit sich seine Denkkraft beschaͤftiget, ganz an und fuͤr sich, und in sich vollendet, ohne Ruͤcksicht auf irgend etwas anders, zu betrachten. — Die Habsucht scheint in einer Verwoͤhnung der vorstellenden Kraft zu liegen, sich mit den Dingen außer sich zu oft zusammen zu denken; wodurch man am Ende unfaͤhig wird, die gehoͤrigen Grenzlinien zwischen seinem Jch, und den naͤchsten Umkreisen desselben zu ziehen. Wo also die Anlage zu dieser Seelenkrankheit bemerkt wird, da koͤmmt es wohl vorzuͤglich darauf an, daß man der verwoͤhnten Denkkraft vom Morgen bis an den Abend, dadurch entgegen zu arbeiten sucht, daß man bei der Betrachtung aller aͤußern Gegenstaͤnde, die Grenzlinie zwischen denselben und unsrem Jch so genau wie moͤglich zieht. — Daß man ihren abstechenden Unwerth gegen das denkende Wesen immer auffallender macht. — Und die ganze Summe von Vorstellungen, die unter dem Haben be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0008" n="6"/><lb/> <p> <hi rendition="#b">Jn einer zu großen Aufmerksamkeit auf die Verhaͤltnisse der Dinge, ohne Ruͤcksicht auf die Dinge selbst.</hi> </p> <p>Statt daß ich also die Vorstellungen des Traͤgen mehr in Verbindung, in Wirkung und Gegenwirkung aufeinander zu bringen suche, muß ich die Vorstellungen des Neidischen, so lange die Seelenkur dauert, vom Morgen bis an den Abend, bei allen Gegenstaͤnden, die er um sich her erblickt, zu isoliren suchen. Jch muß ihn durch Uebung lehren, das, womit sich seine Denkkraft beschaͤftiget, ganz an und fuͤr sich, und in sich vollendet, ohne Ruͤcksicht auf irgend etwas anders, zu betrachten. — </p> <p>Die Habsucht scheint in einer Verwoͤhnung der vorstellenden Kraft zu liegen, <hi rendition="#b">sich mit den Dingen außer sich zu oft zusammen zu denken;</hi> wodurch man am Ende unfaͤhig wird, die gehoͤrigen Grenzlinien zwischen seinem <hi rendition="#b">Jch,</hi> und den naͤchsten Umkreisen desselben zu ziehen. Wo also die Anlage zu dieser Seelenkrankheit bemerkt wird, da koͤmmt es wohl vorzuͤglich darauf an, daß man der verwoͤhnten Denkkraft vom Morgen bis an den Abend, dadurch entgegen zu arbeiten sucht, daß man bei der Betrachtung aller aͤußern Gegenstaͤnde, die <hi rendition="#b">Grenzlinie</hi> zwischen denselben und unsrem Jch so genau wie moͤglich zieht. — Daß man ihren <hi rendition="#b">abstechenden Unwerth</hi> gegen das denkende Wesen immer auffallender macht. — Und die ganze Summe von Vorstellungen, die unter dem <hi rendition="#b">Haben</hi> be-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0008]
Jn einer zu großen Aufmerksamkeit auf die Verhaͤltnisse der Dinge, ohne Ruͤcksicht auf die Dinge selbst.
Statt daß ich also die Vorstellungen des Traͤgen mehr in Verbindung, in Wirkung und Gegenwirkung aufeinander zu bringen suche, muß ich die Vorstellungen des Neidischen, so lange die Seelenkur dauert, vom Morgen bis an den Abend, bei allen Gegenstaͤnden, die er um sich her erblickt, zu isoliren suchen. Jch muß ihn durch Uebung lehren, das, womit sich seine Denkkraft beschaͤftiget, ganz an und fuͤr sich, und in sich vollendet, ohne Ruͤcksicht auf irgend etwas anders, zu betrachten. —
Die Habsucht scheint in einer Verwoͤhnung der vorstellenden Kraft zu liegen, sich mit den Dingen außer sich zu oft zusammen zu denken; wodurch man am Ende unfaͤhig wird, die gehoͤrigen Grenzlinien zwischen seinem Jch, und den naͤchsten Umkreisen desselben zu ziehen. Wo also die Anlage zu dieser Seelenkrankheit bemerkt wird, da koͤmmt es wohl vorzuͤglich darauf an, daß man der verwoͤhnten Denkkraft vom Morgen bis an den Abend, dadurch entgegen zu arbeiten sucht, daß man bei der Betrachtung aller aͤußern Gegenstaͤnde, die Grenzlinie zwischen denselben und unsrem Jch so genau wie moͤglich zieht. — Daß man ihren abstechenden Unwerth gegen das denkende Wesen immer auffallender macht. — Und die ganze Summe von Vorstellungen, die unter dem Haben be-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/8>, abgerufen am 16.02.2025. |