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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.

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allemahl ein Bösewicht heißt; doch den Beigedanken einer allzu kühnen, immer etwas unrechten That. Aber argentum factum, gemachtes Silber, heißt künstlich, zierlich gearbeitetes Silberwerk: daher Cicero sagt: quodammodo facta oratio, gleichsam gemacht, d.i. künstlich bearbeitet. Das Wort Geschmack von moralischen Dingen, wenn es allein stehet, z.B. mit Geschmacke, ohne Geschmack, keinen Geschmack haben, ist nie ohne die Emphase des guten richtigen, reinen, gesunden Geschmacks. Wahn, wähnen heißt an sich nur glauben, meinen, sagen; daher erwähnen; dies kann auch wahr seyn; aber wenn wir schon vom Wahne reden, ist allezeit die Jdee des falschen des Jrrthums dabey. So ging es auch mit dem Worte Vorurtheil: Ein Vorurtheil kann ja auch wahr seyn, ist oft wahr; und die praejudicia im rechten Lateine und bei den Rechtsgelehrten sind sehr wahr und wichtig. Aber wer von uns denkt nicht so gleich an Jrrthum, an falsches Urtheil, wenn er von Vorurtheilen hört? Das Wort Einbildung hat immer den Nebenbegriff des falschen, erdichteten, nicht existirenden, ob es gleich an sich die Kraft der Seele anzeigt, die auch wahre Begriffe aufbewahrt, und sich (wohl) einbildet. Das Griechische doxa, welches eine Meinung heißt, hat die fast beständige Nebenidee der guten Meinung von jemanden, des Lobes, der Ehre. Aber das Lateinische Fama ist


allemahl ein Boͤsewicht heißt; doch den Beigedanken einer allzu kuͤhnen, immer etwas unrechten That. Aber argentum factum, gemachtes Silber, heißt kuͤnstlich, zierlich gearbeitetes Silberwerk: daher Cicero sagt: quodammodo facta oratio, gleichsam gemacht, d.i. kuͤnstlich bearbeitet. Das Wort Geschmack von moralischen Dingen, wenn es allein stehet, z.B. mit Geschmacke, ohne Geschmack, keinen Geschmack haben, ist nie ohne die Emphase des guten richtigen, reinen, gesunden Geschmacks. Wahn, waͤhnen heißt an sich nur glauben, meinen, sagen; daher erwaͤhnen; dies kann auch wahr seyn; aber wenn wir schon vom Wahne reden, ist allezeit die Jdee des falschen des Jrrthums dabey. So ging es auch mit dem Worte Vorurtheil: Ein Vorurtheil kann ja auch wahr seyn, ist oft wahr; und die praejudicia im rechten Lateine und bei den Rechtsgelehrten sind sehr wahr und wichtig. Aber wer von uns denkt nicht so gleich an Jrrthum, an falsches Urtheil, wenn er von Vorurtheilen hoͤrt? Das Wort Einbildung hat immer den Nebenbegriff des falschen, erdichteten, nicht existirenden, ob es gleich an sich die Kraft der Seele anzeigt, die auch wahre Begriffe aufbewahrt, und sich (wohl) einbildet. Das Griechische δοξα, welches eine Meinung heißt, hat die fast bestaͤndige Nebenidee der guten Meinung von jemanden, des Lobes, der Ehre. Aber das Lateinische Fama ist

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[62/0064] allemahl ein Boͤsewicht heißt; doch den Beigedanken einer allzu kuͤhnen, immer etwas unrechten That. Aber argentum factum, gemachtes Silber, heißt kuͤnstlich, zierlich gearbeitetes Silberwerk: daher Cicero sagt: quodammodo facta oratio, gleichsam gemacht, d.i. kuͤnstlich bearbeitet. Das Wort Geschmack von moralischen Dingen, wenn es allein stehet, z.B. mit Geschmacke, ohne Geschmack, keinen Geschmack haben, ist nie ohne die Emphase des guten richtigen, reinen, gesunden Geschmacks. Wahn, waͤhnen heißt an sich nur glauben, meinen, sagen; daher erwaͤhnen; dies kann auch wahr seyn; aber wenn wir schon vom Wahne reden, ist allezeit die Jdee des falschen des Jrrthums dabey. So ging es auch mit dem Worte Vorurtheil: Ein Vorurtheil kann ja auch wahr seyn, ist oft wahr; und die praejudicia im rechten Lateine und bei den Rechtsgelehrten sind sehr wahr und wichtig. Aber wer von uns denkt nicht so gleich an Jrrthum, an falsches Urtheil, wenn er von Vorurtheilen hoͤrt? Das Wort Einbildung hat immer den Nebenbegriff des falschen, erdichteten, nicht existirenden, ob es gleich an sich die Kraft der Seele anzeigt, die auch wahre Begriffe aufbewahrt, und sich (wohl) einbildet. Das Griechische δοξα, welches eine Meinung heißt, hat die fast bestaͤndige Nebenidee der guten Meinung von jemanden, des Lobes, der Ehre. Aber das Lateinische Fama ist

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/64>, abgerufen am 28.11.2024.