Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0060" n="58"/><lb/> guter, boͤser Nahme oder Ruf, <hi rendition="#aq">valetudo prospera, adversa,</hi> schoͤne, haͤsliche Gestalt; dies ist der Gebrauch, welcher der indifferenten Natur dieser Worte gemaͤs ist. Aber was thun wir hernach? Wir brauchen diese Woͤrter allein, ohne Zusatz eines Adiectivs, mit einer wahren <hi rendition="#b">Emphase,</hi> das ist, mit einem Nebenbegriffe, der nicht im Worte liegt, sondern aus dem Zusammenhange der Rede bestimmt und erkannt wird. So braucht der Ebraͤer das Wort <hi rendition="#b">Leben</hi> fast immer so, daß man den Nebenbegriff des gluͤcklichen Lebens darzu denken mus; daher das <hi rendition="#b">ewige Leben.</hi> So heißt es im 20sten Psalme: er bat dich um Leben, d.i. um Gluͤckseligkeit; im 37sten Psalme: bei dir ist (du bist) die Quelle des Lebens, d.i. du bist der Urheber und Geber alles Guten. Daher koͤmmt es erst, daß <hi rendition="#b">Tod</hi> in der Schrift so viel heißt, als Elend, weil der Gegensatz, <hi rendition="#b">Leben,</hi> den Nebenbegriff des Gluͤcks hat. Das Wort <hi rendition="#b">Gestalt,</hi> lat. <hi rendition="#b">forma species,</hi> hat meist die Nebenidee der <hi rendition="#b">schoͤnen,</hi> guten Gestalt; daher <hi rendition="#aq">formosus, speciosus,</hi> schoͤn, <hi rendition="#b">wohlgestalt;</hi> und <hi rendition="#aq">informis,</hi> wie das Deutsche <hi rendition="#b">ungestalt,</hi> (in alten Buͤchern findet man auch <hi rendition="#b">ungeschaffen</hi>) lat. <hi rendition="#aq">informis, deformis,</hi> ja auch Griechisch, ἄμορφος, allemahl so viel heißt, als <hi rendition="#b">uͤbel</hi> gestalt; denn eine <hi rendition="#b">Gestalt</hi> an sich, hat auch der Ungestaltete haͤßliche. <hi rendition="#aq">Inconditus,</hi> ungebildet, ist nie ohne den, hier verneinten, Nebenbegriff des <hi rendition="#b">wohl</hi> gemachten, und heißt, <hi rendition="#b">uͤbel</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0060]
guter, boͤser Nahme oder Ruf, valetudo prospera, adversa, schoͤne, haͤsliche Gestalt; dies ist der Gebrauch, welcher der indifferenten Natur dieser Worte gemaͤs ist. Aber was thun wir hernach? Wir brauchen diese Woͤrter allein, ohne Zusatz eines Adiectivs, mit einer wahren Emphase, das ist, mit einem Nebenbegriffe, der nicht im Worte liegt, sondern aus dem Zusammenhange der Rede bestimmt und erkannt wird. So braucht der Ebraͤer das Wort Leben fast immer so, daß man den Nebenbegriff des gluͤcklichen Lebens darzu denken mus; daher das ewige Leben. So heißt es im 20sten Psalme: er bat dich um Leben, d.i. um Gluͤckseligkeit; im 37sten Psalme: bei dir ist (du bist) die Quelle des Lebens, d.i. du bist der Urheber und Geber alles Guten. Daher koͤmmt es erst, daß Tod in der Schrift so viel heißt, als Elend, weil der Gegensatz, Leben, den Nebenbegriff des Gluͤcks hat. Das Wort Gestalt, lat. forma species, hat meist die Nebenidee der schoͤnen, guten Gestalt; daher formosus, speciosus, schoͤn, wohlgestalt; und informis, wie das Deutsche ungestalt, (in alten Buͤchern findet man auch ungeschaffen) lat. informis, deformis, ja auch Griechisch, ἄμορφος, allemahl so viel heißt, als uͤbel gestalt; denn eine Gestalt an sich, hat auch der Ungestaltete haͤßliche. Inconditus, ungebildet, ist nie ohne den, hier verneinten, Nebenbegriff des wohl gemachten, und heißt, uͤbel
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