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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.

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ten, durften ja nicht zurückbleiben; denn aus diesen wählten sie ihre Vorgänger zum Muster und unverbrüchlichen Siegel ihrer Handlungsweise, ihres Wandels, und ihrer ganzen Einrichtung.

Von Kleidungsstücken sollten sie nur etwas weniges mitnehmen; denn was brauchen sie viel in ihrer Wildniß, und im Nothfalle giebt es ja Thierhäute, Pflanzen und Blätter.

Zur Nahrung wollten sie nichts bei sich haben, da ihnen die nächste beste Wurzel Speise war.

Nun sahen sie schon mit Entzücken vor sich hin, wie bald ihr Leben heilig, Gott und die Engel ihre Freunde und Gesellschafter seyn würden! wie sie bald durch himmlische Gesichter und Entzückungen begnadigt, die Himmelsseeligkeiten schmecken, und in ruhigen, einsamen, geistlichen Unterredungen, in ungestörter Andacht und in den frommen, seeligen Empfindungen bei aszetischen, schwärmerischen Betrachtungen zufrieden und glücklich seyn würden, dann getrost und wonnevoll die Stunde der Auflösung hienieden, ihrer Aufnahme unter die schon verklärten Mitbrüder und der allgemeinen Verehrung ihrer Verdienste und Heiligkeit, zu umarmen! Romanenmäßiger konnte ihr wirklicher Gemüthszustand nicht seyn.

Sie wollten nun als religiöse Donquixote auf moralische Abentheuer ausziehen.

Sie bestimmten also die Zeit ihrer Pilgrimsreise, und zwar die Nacht.



ten, durften ja nicht zuruͤckbleiben; denn aus diesen waͤhlten sie ihre Vorgaͤnger zum Muster und unverbruͤchlichen Siegel ihrer Handlungsweise, ihres Wandels, und ihrer ganzen Einrichtung.

Von Kleidungsstuͤcken sollten sie nur etwas weniges mitnehmen; denn was brauchen sie viel in ihrer Wildniß, und im Nothfalle giebt es ja Thierhaͤute, Pflanzen und Blaͤtter.

Zur Nahrung wollten sie nichts bei sich haben, da ihnen die naͤchste beste Wurzel Speise war.

Nun sahen sie schon mit Entzuͤcken vor sich hin, wie bald ihr Leben heilig, Gott und die Engel ihre Freunde und Gesellschafter seyn wuͤrden! wie sie bald durch himmlische Gesichter und Entzuͤckungen begnadigt, die Himmelsseeligkeiten schmecken, und in ruhigen, einsamen, geistlichen Unterredungen, in ungestoͤrter Andacht und in den frommen, seeligen Empfindungen bei aszetischen, schwaͤrmerischen Betrachtungen zufrieden und gluͤcklich seyn wuͤrden, dann getrost und wonnevoll die Stunde der Aufloͤsung hienieden, ihrer Aufnahme unter die schon verklaͤrten Mitbruͤder und der allgemeinen Verehrung ihrer Verdienste und Heiligkeit, zu umarmen! Romanenmaͤßiger konnte ihr wirklicher Gemuͤthszustand nicht seyn.

Sie wollten nun als religioͤse Donquixote auf moralische Abentheuer ausziehen.

Sie bestimmten also die Zeit ihrer Pilgrimsreise, und zwar die Nacht.


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[116/0118] ten, durften ja nicht zuruͤckbleiben; denn aus diesen waͤhlten sie ihre Vorgaͤnger zum Muster und unverbruͤchlichen Siegel ihrer Handlungsweise, ihres Wandels, und ihrer ganzen Einrichtung. Von Kleidungsstuͤcken sollten sie nur etwas weniges mitnehmen; denn was brauchen sie viel in ihrer Wildniß, und im Nothfalle giebt es ja Thierhaͤute, Pflanzen und Blaͤtter. Zur Nahrung wollten sie nichts bei sich haben, da ihnen die naͤchste beste Wurzel Speise war. Nun sahen sie schon mit Entzuͤcken vor sich hin, wie bald ihr Leben heilig, Gott und die Engel ihre Freunde und Gesellschafter seyn wuͤrden! wie sie bald durch himmlische Gesichter und Entzuͤckungen begnadigt, die Himmelsseeligkeiten schmecken, und in ruhigen, einsamen, geistlichen Unterredungen, in ungestoͤrter Andacht und in den frommen, seeligen Empfindungen bei aszetischen, schwaͤrmerischen Betrachtungen zufrieden und gluͤcklich seyn wuͤrden, dann getrost und wonnevoll die Stunde der Aufloͤsung hienieden, ihrer Aufnahme unter die schon verklaͤrten Mitbruͤder und der allgemeinen Verehrung ihrer Verdienste und Heiligkeit, zu umarmen! Romanenmaͤßiger konnte ihr wirklicher Gemuͤthszustand nicht seyn. Sie wollten nun als religioͤse Donquixote auf moralische Abentheuer ausziehen. Sie bestimmten also die Zeit ihrer Pilgrimsreise, und zwar die Nacht.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/118>, abgerufen am 08.05.2024.