Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
Die ersten hatten einen redlichen Jesuiten, die andern den berühmten ehrwürdigen Kapuziner Martin B.. zum Verfasser, treflich gewählt! aber sie in ihrer Schwärmerei nur mehr zu stärken; Und so wurde in feierlicher Stille, in geistlichen Versenkungen der größte Theil des Tages durchgebracht, und die Phantasie durch immer mehr sich vermehrende, angenehme schmeichelnde Geburten des zügellosesten Wahnsinnes, auch allmälig zu höherm Grade von Lebhaftigkeit angefeuret. Endlich wurden die Bilder der Phantasie in ihrer Seele so lebhaft, stark und dringend, daß sie sich nun schon aller übrigen Vorstellungen bemächtigten; und in dieser siegenden Darstellung nur nach ihrer Realität, sich nur nach wirklicher Befriedigung sehnten; mit Ungestüm die Hülle des drangvollen Herzens, des phantasierenden Kopfes, in die Hülle von Wirklichkeit, von sinnlichen Befriedigungen auszugießen. Sie entschloßen sich, dem Beispiel ihrer Helden zu folgen, ihnen ihre Thorheiten, ihren religiösen Unsinn thätig nachzumachen, so wie sie, Menschen, Welt und allen Freuden des gesellschaftlichen Lebens zu entsagen, und unter Thieren im Walde als Thier zu leben. Sie entschloßen sich, Kleider und etwas Wäsche zusammenzupacken; und Bücher, die von ihrer künftigen Lebensart handel-
Die ersten hatten einen redlichen Jesuiten, die andern den beruͤhmten ehrwuͤrdigen Kapuziner Martin B.. zum Verfasser, treflich gewaͤhlt! aber sie in ihrer Schwaͤrmerei nur mehr zu staͤrken; Und so wurde in feierlicher Stille, in geistlichen Versenkungen der groͤßte Theil des Tages durchgebracht, und die Phantasie durch immer mehr sich vermehrende, angenehme schmeichelnde Geburten des zuͤgellosesten Wahnsinnes, auch allmaͤlig zu hoͤherm Grade von Lebhaftigkeit angefeuret. Endlich wurden die Bilder der Phantasie in ihrer Seele so lebhaft, stark und dringend, daß sie sich nun schon aller uͤbrigen Vorstellungen bemaͤchtigten; und in dieser siegenden Darstellung nur nach ihrer Realitaͤt, sich nur nach wirklicher Befriedigung sehnten; mit Ungestuͤm die Huͤlle des drangvollen Herzens, des phantasierenden Kopfes, in die Huͤlle von Wirklichkeit, von sinnlichen Befriedigungen auszugießen. Sie entschloßen sich, dem Beispiel ihrer Helden zu folgen, ihnen ihre Thorheiten, ihren religioͤsen Unsinn thaͤtig nachzumachen, so wie sie, Menschen, Welt und allen Freuden des gesellschaftlichen Lebens zu entsagen, und unter Thieren im Walde als Thier zu leben. Sie entschloßen sich, Kleider und etwas Waͤsche zusammenzupacken; und Buͤcher, die von ihrer kuͤnftigen Lebensart handel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0117" n="115"/><lb/> Lebensbeschreibungen der vierzehn Nothhelfer und der uͤbrigen Heiligen. </p> <p>Die ersten hatten einen redlichen Jesuiten, die andern den beruͤhmten ehrwuͤrdigen Kapuziner Martin B.. zum Verfasser, treflich gewaͤhlt! aber sie in ihrer Schwaͤrmerei nur mehr zu staͤrken; Und so wurde in feierlicher Stille, in geistlichen Versenkungen der groͤßte Theil des Tages durchgebracht, und die Phantasie durch immer mehr sich vermehrende, angenehme schmeichelnde Geburten des zuͤgellosesten Wahnsinnes, auch allmaͤlig zu hoͤherm Grade von Lebhaftigkeit angefeuret. </p> <p>Endlich wurden die Bilder der Phantasie in ihrer Seele so lebhaft, stark und dringend, daß sie sich nun schon aller uͤbrigen Vorstellungen bemaͤchtigten; und in dieser siegenden Darstellung nur nach ihrer Realitaͤt, sich nur nach wirklicher Befriedigung sehnten; mit Ungestuͤm die Huͤlle des drangvollen Herzens, des phantasierenden Kopfes, in die Huͤlle von Wirklichkeit, von sinnlichen Befriedigungen auszugießen. </p> <p>Sie entschloßen sich, dem Beispiel ihrer Helden zu folgen, ihnen ihre Thorheiten, ihren religioͤsen Unsinn thaͤtig nachzumachen, so wie sie, Menschen, Welt und allen Freuden des gesellschaftlichen Lebens zu entsagen, und unter Thieren im Walde als Thier zu leben. Sie entschloßen sich, Kleider und etwas Waͤsche zusammenzupacken; und Buͤcher, die von ihrer kuͤnftigen Lebensart handel-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0117]
Lebensbeschreibungen der vierzehn Nothhelfer und der uͤbrigen Heiligen.
Die ersten hatten einen redlichen Jesuiten, die andern den beruͤhmten ehrwuͤrdigen Kapuziner Martin B.. zum Verfasser, treflich gewaͤhlt! aber sie in ihrer Schwaͤrmerei nur mehr zu staͤrken; Und so wurde in feierlicher Stille, in geistlichen Versenkungen der groͤßte Theil des Tages durchgebracht, und die Phantasie durch immer mehr sich vermehrende, angenehme schmeichelnde Geburten des zuͤgellosesten Wahnsinnes, auch allmaͤlig zu hoͤherm Grade von Lebhaftigkeit angefeuret.
Endlich wurden die Bilder der Phantasie in ihrer Seele so lebhaft, stark und dringend, daß sie sich nun schon aller uͤbrigen Vorstellungen bemaͤchtigten; und in dieser siegenden Darstellung nur nach ihrer Realitaͤt, sich nur nach wirklicher Befriedigung sehnten; mit Ungestuͤm die Huͤlle des drangvollen Herzens, des phantasierenden Kopfes, in die Huͤlle von Wirklichkeit, von sinnlichen Befriedigungen auszugießen.
Sie entschloßen sich, dem Beispiel ihrer Helden zu folgen, ihnen ihre Thorheiten, ihren religioͤsen Unsinn thaͤtig nachzumachen, so wie sie, Menschen, Welt und allen Freuden des gesellschaftlichen Lebens zu entsagen, und unter Thieren im Walde als Thier zu leben. Sie entschloßen sich, Kleider und etwas Waͤsche zusammenzupacken; und Buͤcher, die von ihrer kuͤnftigen Lebensart handel-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/117>, abgerufen am 16.02.2025. |