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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.

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die gewiß für jedermann wichtig und lehrreich seyn müssen.

Der Wahnwitz ist doch immer größtentheils mit in dem Körper gegründet, und wird oft durch Mittel geheilet, die vorzüglich auf den Körper wirken. -- Er kann also nicht der Hauptgegenstand der Erfahrungsseelenkunde seyn, sondern es kömmt vorzüglich auf die Natur unsrer vorstellenden Kraft, auf die Abweichungen und die gehörige Art des Einlenkens derselben an, wenn dieß Studium so nützlich seyn soll, als es doch wirklich seyn kann.

Jn dem ersten Stück des ersten Bandes finde ich nun unter der Rubrik zur Seelenkrankheitskunde folgende Personen aufgestellt:

Gottfried Friese, ein Mensch, der in seinem 24sten Jahre starb, ohne eigentlich gelebt zu haben, weil er nie in seinen Leben einen Strahl vom Menschenverstande bekommen hatte. -- Ob es mehr dergleichen Personen geben mag? darauf sollte man doch aufmerksam seyn! --

Johann Matthias Klug, ein Mann, der die Rechtsgelehrsamkeit in ihrem ganzen Umfange, Weltweißheit und Geschichte verstand, und weil er glaubte, gegen die Religion des Königs von Preußen ein Buch geschrieben zu haben, sich sein ganzes übriges Leben hindurch, in eine Stube einsperrte. -- Jn seiner Familie war etwas tief melancholisches, und er hatte viel mit dem Kopfe arbeiten müssen. -- Merkwürdig ist der Umstand, daß er sich alle


die gewiß fuͤr jedermann wichtig und lehrreich seyn muͤssen.

Der Wahnwitz ist doch immer groͤßtentheils mit in dem Koͤrper gegruͤndet, und wird oft durch Mittel geheilet, die vorzuͤglich auf den Koͤrper wirken. — Er kann also nicht der Hauptgegenstand der Erfahrungsseelenkunde seyn, sondern es koͤmmt vorzuͤglich auf die Natur unsrer vorstellenden Kraft, auf die Abweichungen und die gehoͤrige Art des Einlenkens derselben an, wenn dieß Studium so nuͤtzlich seyn soll, als es doch wirklich seyn kann.

Jn dem ersten Stuͤck des ersten Bandes finde ich nun unter der Rubrik zur Seelenkrankheitskunde folgende Personen aufgestellt:

Gottfried Friese, ein Mensch, der in seinem 24sten Jahre starb, ohne eigentlich gelebt zu haben, weil er nie in seinen Leben einen Strahl vom Menschenverstande bekommen hatte. — Ob es mehr dergleichen Personen geben mag? darauf sollte man doch aufmerksam seyn! —

Johann Matthias Klug, ein Mann, der die Rechtsgelehrsamkeit in ihrem ganzen Umfange, Weltweißheit und Geschichte verstand, und weil er glaubte, gegen die Religion des Koͤnigs von Preußen ein Buch geschrieben zu haben, sich sein ganzes uͤbriges Leben hindurch, in eine Stube einsperrte. — Jn seiner Familie war etwas tief melancholisches, und er hatte viel mit dem Kopfe arbeiten muͤssen. — Merkwuͤrdig ist der Umstand, daß er sich alle

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[9/0011] die gewiß fuͤr jedermann wichtig und lehrreich seyn muͤssen. Der Wahnwitz ist doch immer groͤßtentheils mit in dem Koͤrper gegruͤndet, und wird oft durch Mittel geheilet, die vorzuͤglich auf den Koͤrper wirken. — Er kann also nicht der Hauptgegenstand der Erfahrungsseelenkunde seyn, sondern es koͤmmt vorzuͤglich auf die Natur unsrer vorstellenden Kraft, auf die Abweichungen und die gehoͤrige Art des Einlenkens derselben an, wenn dieß Studium so nuͤtzlich seyn soll, als es doch wirklich seyn kann. Jn dem ersten Stuͤck des ersten Bandes finde ich nun unter der Rubrik zur Seelenkrankheitskunde folgende Personen aufgestellt: Gottfried Friese, ein Mensch, der in seinem 24sten Jahre starb, ohne eigentlich gelebt zu haben, weil er nie in seinen Leben einen Strahl vom Menschenverstande bekommen hatte. — Ob es mehr dergleichen Personen geben mag? darauf sollte man doch aufmerksam seyn! — Johann Matthias Klug, ein Mann, der die Rechtsgelehrsamkeit in ihrem ganzen Umfange, Weltweißheit und Geschichte verstand, und weil er glaubte, gegen die Religion des Koͤnigs von Preußen ein Buch geschrieben zu haben, sich sein ganzes uͤbriges Leben hindurch, in eine Stube einsperrte. — Jn seiner Familie war etwas tief melancholisches, und er hatte viel mit dem Kopfe arbeiten muͤssen. — Merkwuͤrdig ist der Umstand, daß er sich alle

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/11>, abgerufen am 28.04.2024.