Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.Folgende Briefe, in welchen sich schon der erste Keim zu der unglücklichen Theatergrille zeigt, werden mit den vorhergehenden zusammengenommen kein unwichtiger Beitrag zur nähern Kenntniß einer mißleitenden Phantasie seyn. Den 9ten Februar 1781. Mein Bester,*) So eben komme ich aus der Oper Armida (es schlägt ein Viertel auf Zehne) noch ganz voll von den bezaubernden Tönen der herrlichen Arien und Recitative dieser Oper, dieses Meisterstücks des berühmten Dresdener Kapellmeisters Herrn Naumann. Und nun noch ein paar Worte an Dich. Du machst Dich gewiß auf einen rechten langen Brief gefaßt. Du denkst -- -- versprochenermaßen -- muß er recht lang seyn, und auch lang werden können. Nun, Du sollst denn recht gedacht haben. Also ermüde nicht viel zu lesen; verzeih, wenn ich nicht systematisch schreibe, ich kann es dießmal nicht; so wie mir was einfallen wird, schreibe ich es nieder, mein Herz ist zu voll, sieh! wüßtest Du es, wie es für Dich schlägt; ja, den- *) Nichts ist sonderbarer in diesen Briefen, als der immerwährende schnelle Uebergang von Komödie zu Predigt und von Predigt zu Komödie, gerade in dem Punkte, worin beide in der Phantasie des Schreibenden immer zusammen trafen.
Folgende Briefe, in welchen sich schon der erste Keim zu der ungluͤcklichen Theatergrille zeigt, werden mit den vorhergehenden zusammengenommen kein unwichtiger Beitrag zur naͤhern Kenntniß einer mißleitenden Phantasie seyn. Den 9ten Februar 1781. Mein Bester,*) So eben komme ich aus der Oper Armida (es schlaͤgt ein Viertel auf Zehne) noch ganz voll von den bezaubernden Toͤnen der herrlichen Arien und Recitative dieser Oper, dieses Meisterstuͤcks des beruͤhmten Dresdener Kapellmeisters Herrn Naumann. Und nun noch ein paar Worte an Dich. Du machst Dich gewiß auf einen rechten langen Brief gefaßt. Du denkst — — versprochenermaßen — muß er recht lang seyn, und auch lang werden koͤnnen. Nun, Du sollst denn recht gedacht haben. Also ermuͤde nicht viel zu lesen; verzeih, wenn ich nicht systematisch schreibe, ich kann es dießmal nicht; so wie mir was einfallen wird, schreibe ich es nieder, mein Herz ist zu voll, sieh! wuͤßtest Du es, wie es fuͤr Dich schlaͤgt; ja, den- *) Nichts ist sonderbarer in diesen Briefen, als der immerwaͤhrende schnelle Uebergang von Komoͤdie zu Predigt und von Predigt zu Komoͤdie, gerade in dem Punkte, worin beide in der Phantasie des Schreibenden immer zusammen trafen.
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Folgende Briefe, in welchen sich schon der erste Keim zu der ungluͤcklichen Theatergrille zeigt, werden mit den vorhergehenden zusammengenommen kein unwichtiger Beitrag zur naͤhern Kenntniß einer mißleitenden Phantasie seyn.
Den 9ten Februar 1781.
Mein Bester,*)
So eben komme ich aus der Oper Armida (es schlaͤgt ein Viertel auf Zehne) noch ganz voll von den bezaubernden Toͤnen der herrlichen Arien und Recitative dieser Oper, dieses Meisterstuͤcks des beruͤhmten Dresdener Kapellmeisters Herrn Naumann. Und nun noch ein paar Worte an Dich.
Du machst Dich gewiß auf einen rechten langen Brief gefaßt. Du denkst — — versprochenermaßen — muß er recht lang seyn, und auch lang werden koͤnnen.
Nun, Du sollst denn recht gedacht haben. Also ermuͤde nicht viel zu lesen; verzeih, wenn ich nicht systematisch schreibe, ich kann es dießmal nicht; so wie mir was einfallen wird, schreibe ich es nieder, mein Herz ist zu voll, sieh! wuͤßtest Du es, wie es fuͤr Dich schlaͤgt; ja, den-
*) Nichts ist sonderbarer in diesen Briefen, als der immerwaͤhrende schnelle Uebergang von Komoͤdie zu Predigt und von Predigt zu Komoͤdie, gerade in dem Punkte, worin beide in der Phantasie des Schreibenden immer zusammen trafen.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/101>, abgerufen am 16.02.2025. |