Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Anhang einiger Erfahrungen von der Gewalt unwillkürlicher Jdeen.

Eine neuere Selbsterfahrung: Es stellten sich mir wachend, bey einer unausstehlichen Fieberhitze, am hellen Mittage, Gegenstände dar, die ich wirklich zu sehen ja selbst zu befühlen glaubte; Jdeale von weiblicher Schönheit, woran ich unter solchen Umständen gewiß am wenigsten dachte, die ich auch, alles Bestrebens ungeachtet, anfänglich nicht verscheuchen konnte. Die anhaltende Lebhaftigkeit dieser unwillkührlichen Vorstellungen, beunruhigte mich so sehr, daß ich mir die Nothwendigkeit als ganz unvermeidlich dachte, aus dem Fenster springen zu müssen.

Die Ueberzeugung in Gegenwart dieser Erscheinungen, daß die zunehmende Hitze diese Einbildungen hervorbringe, und das Unvermögen diesen keine andere Vorstellungen unterzulegen, nebst der unnöthigen Schaam, den Meinigen zu sagen, daß sie mich nicht allein lassen sollten, vermehrten meine Bestürzung ungemein. Nur das Ueberraschende dieser Erscheinungen brachte mich auf die Besorgniß, wer weiß noch zu welchem Einfall genöthiget zu werden, und die Höhe meines Schlafzimmers erzeugte die Furcht, in der Hitze einen tödtlichen Sprung aus dem Fenster zu thun.



Anhang einiger Erfahrungen von der Gewalt unwillkuͤrlicher Jdeen.

Eine neuere Selbsterfahrung: Es stellten sich mir wachend, bey einer unausstehlichen Fieberhitze, am hellen Mittage, Gegenstaͤnde dar, die ich wirklich zu sehen ja selbst zu befuͤhlen glaubte; Jdeale von weiblicher Schoͤnheit, woran ich unter solchen Umstaͤnden gewiß am wenigsten dachte, die ich auch, alles Bestrebens ungeachtet, anfaͤnglich nicht verscheuchen konnte. Die anhaltende Lebhaftigkeit dieser unwillkuͤhrlichen Vorstellungen, beunruhigte mich so sehr, daß ich mir die Nothwendigkeit als ganz unvermeidlich dachte, aus dem Fenster springen zu muͤssen.

Die Ueberzeugung in Gegenwart dieser Erscheinungen, daß die zunehmende Hitze diese Einbildungen hervorbringe, und das Unvermoͤgen diesen keine andere Vorstellungen unterzulegen, nebst der unnoͤthigen Schaam, den Meinigen zu sagen, daß sie mich nicht allein lassen sollten, vermehrten meine Bestuͤrzung ungemein. Nur das Ueberraschende dieser Erscheinungen brachte mich auf die Besorgniß, wer weiß noch zu welchem Einfall genoͤthiget zu werden, und die Hoͤhe meines Schlafzimmers erzeugte die Furcht, in der Hitze einen toͤdtlichen Sprung aus dem Fenster zu thun.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0078" n="78"/><lb/>
            <div n="4">
              <head>Anhang einiger Erfahrungen von der Gewalt unwillku&#x0364;rlicher Jdeen.</head><lb/>
              <note type="editorial">
                <bibl>
                  <persName ref="#ref69"><note type="editorial"/>B..w.g., J. Gottfried</persName>
                </bibl>
              </note>
              <p>Eine neuere Selbsterfahrung: Es stellten sich mir wachend, bey                   einer unausstehlichen Fieberhitze, am hellen Mittage, Gegensta&#x0364;nde dar, die ich                   wirklich zu sehen ja selbst zu befu&#x0364;hlen glaubte; Jdeale von weiblicher Scho&#x0364;nheit,                   woran ich unter solchen Umsta&#x0364;nden gewiß am wenigsten dachte, die ich auch, alles                   Bestrebens ungeachtet, anfa&#x0364;nglich nicht verscheuchen konnte. Die anhaltende                   Lebhaftigkeit dieser unwillku&#x0364;hrlichen Vorstellungen, beunruhigte mich so sehr, daß                   ich mir die Nothwendigkeit als ganz unvermeidlich dachte, aus dem Fenster springen                   zu mu&#x0364;ssen. </p>
              <p>Die Ueberzeugung in Gegenwart dieser Erscheinungen, daß die zunehmende Hitze diese                   Einbildungen hervorbringe, und das Unvermo&#x0364;gen diesen keine andere Vorstellungen                   unterzulegen, nebst der unno&#x0364;thigen Schaam, den Meinigen zu sagen, daß sie mich                   nicht allein lassen sollten, vermehrten meine Bestu&#x0364;rzung ungemein. Nur das                   Ueberraschende dieser Erscheinungen brachte mich auf die Besorgniß, wer weiß noch                   zu welchem Einfall geno&#x0364;thiget zu werden, und die Ho&#x0364;he meines Schlafzimmers                   erzeugte die Furcht, in der Hitze einen to&#x0364;dtlichen Sprung aus dem Fenster zu thun. </p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0078] Anhang einiger Erfahrungen von der Gewalt unwillkuͤrlicher Jdeen. Eine neuere Selbsterfahrung: Es stellten sich mir wachend, bey einer unausstehlichen Fieberhitze, am hellen Mittage, Gegenstaͤnde dar, die ich wirklich zu sehen ja selbst zu befuͤhlen glaubte; Jdeale von weiblicher Schoͤnheit, woran ich unter solchen Umstaͤnden gewiß am wenigsten dachte, die ich auch, alles Bestrebens ungeachtet, anfaͤnglich nicht verscheuchen konnte. Die anhaltende Lebhaftigkeit dieser unwillkuͤhrlichen Vorstellungen, beunruhigte mich so sehr, daß ich mir die Nothwendigkeit als ganz unvermeidlich dachte, aus dem Fenster springen zu muͤssen. Die Ueberzeugung in Gegenwart dieser Erscheinungen, daß die zunehmende Hitze diese Einbildungen hervorbringe, und das Unvermoͤgen diesen keine andere Vorstellungen unterzulegen, nebst der unnoͤthigen Schaam, den Meinigen zu sagen, daß sie mich nicht allein lassen sollten, vermehrten meine Bestuͤrzung ungemein. Nur das Ueberraschende dieser Erscheinungen brachte mich auf die Besorgniß, wer weiß noch zu welchem Einfall genoͤthiget zu werden, und die Hoͤhe meines Schlafzimmers erzeugte die Furcht, in der Hitze einen toͤdtlichen Sprung aus dem Fenster zu thun.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/78
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/78>, abgerufen am 22.11.2024.