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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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nur an schicklicher Anordnung und Zusammenfügung, um das Ganze zu übersehen. Diese Bewußtlosigkeit tritt wenigstens im traumfreien Schlafe ein. Eben so ist man sich der stillen Träume oft bewußt, gewöhnlich aber weiß man nicht, was man im Schlafe geredet hat, weil die Seele das vorgespiegelte Bild nicht von sich selbst unterscheidet.

Bei dieser Geschmeidigkeit oder schnellen Eindrucksfähigkeit der Seele kann ein einziges treffendes Wort den reichhaltigsten Gedanken erwecken und den schlummernden Geist zu neuer Wirksamkeit ermuntern. Daher können auch oft ganz verschiedenartige Bilder, wo aber doch immer eins das Licht von dem andern borget, die Seele zugleich beschäftigen; bei den ernsthaftesten Gedanken und Handlungen die schmutzigsten Bilder und Vorstellungen erscheinen. Jch kann mich hierbei sicher auf die Erfahrung vieler junger feurigen Redner, der Geistlichen am wenigsten ausgenommen, berufen, die, sobald sie mit möglichster Anstrengung des Geistes und Wärme des Herzens, von einer wichtigen Angelegenheit sprachen, nicht selten von ganz entgegengesetzten Jdeen überrascht wurden. Vielleicht läßt dieß zugleich einiges Licht auf die Erscheinung fallen: warum Wahnsinnige und Betrunkene gewöhnlich religiöse Worte im Munde führen. Bei dem gemeinen Mann machen oft Religionsideen die Grundlage seines ganzen Jdeenvorraths aus, werden nun die Gehirnfibern durch den Geist des Weins


nur an schicklicher Anordnung und Zusammenfuͤgung, um das Ganze zu uͤbersehen. Diese Bewußtlosigkeit tritt wenigstens im traumfreien Schlafe ein. Eben so ist man sich der stillen Traͤume oft bewußt, gewoͤhnlich aber weiß man nicht, was man im Schlafe geredet hat, weil die Seele das vorgespiegelte Bild nicht von sich selbst unterscheidet.

Bei dieser Geschmeidigkeit oder schnellen Eindrucksfaͤhigkeit der Seele kann ein einziges treffendes Wort den reichhaltigsten Gedanken erwecken und den schlummernden Geist zu neuer Wirksamkeit ermuntern. Daher koͤnnen auch oft ganz verschiedenartige Bilder, wo aber doch immer eins das Licht von dem andern borget, die Seele zugleich beschaͤftigen; bei den ernsthaftesten Gedanken und Handlungen die schmutzigsten Bilder und Vorstellungen erscheinen. Jch kann mich hierbei sicher auf die Erfahrung vieler junger feurigen Redner, der Geistlichen am wenigsten ausgenommen, berufen, die, sobald sie mit moͤglichster Anstrengung des Geistes und Waͤrme des Herzens, von einer wichtigen Angelegenheit sprachen, nicht selten von ganz entgegengesetzten Jdeen uͤberrascht wurden. Vielleicht laͤßt dieß zugleich einiges Licht auf die Erscheinung fallen: warum Wahnsinnige und Betrunkene gewoͤhnlich religioͤse Worte im Munde fuͤhren. Bei dem gemeinen Mann machen oft Religionsideen die Grundlage seines ganzen Jdeenvorraths aus, werden nun die Gehirnfibern durch den Geist des Weins

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[69/0069] nur an schicklicher Anordnung und Zusammenfuͤgung, um das Ganze zu uͤbersehen. Diese Bewußtlosigkeit tritt wenigstens im traumfreien Schlafe ein. Eben so ist man sich der stillen Traͤume oft bewußt, gewoͤhnlich aber weiß man nicht, was man im Schlafe geredet hat, weil die Seele das vorgespiegelte Bild nicht von sich selbst unterscheidet. Bei dieser Geschmeidigkeit oder schnellen Eindrucksfaͤhigkeit der Seele kann ein einziges treffendes Wort den reichhaltigsten Gedanken erwecken und den schlummernden Geist zu neuer Wirksamkeit ermuntern. Daher koͤnnen auch oft ganz verschiedenartige Bilder, wo aber doch immer eins das Licht von dem andern borget, die Seele zugleich beschaͤftigen; bei den ernsthaftesten Gedanken und Handlungen die schmutzigsten Bilder und Vorstellungen erscheinen. Jch kann mich hierbei sicher auf die Erfahrung vieler junger feurigen Redner, der Geistlichen am wenigsten ausgenommen, berufen, die, sobald sie mit moͤglichster Anstrengung des Geistes und Waͤrme des Herzens, von einer wichtigen Angelegenheit sprachen, nicht selten von ganz entgegengesetzten Jdeen uͤberrascht wurden. Vielleicht laͤßt dieß zugleich einiges Licht auf die Erscheinung fallen: warum Wahnsinnige und Betrunkene gewoͤhnlich religioͤse Worte im Munde fuͤhren. Bei dem gemeinen Mann machen oft Religionsideen die Grundlage seines ganzen Jdeenvorraths aus, werden nun die Gehirnfibern durch den Geist des Weins

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/69>, abgerufen am 22.11.2024.