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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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mal habe sie aber gesagt, es knacke ihr was in der Brust, und da sei sie in fünf Minuten mit einem starken Röcheln verschieden. Nach dem Tode habe man gefunden, daß ihre eine Seite ganz blau gewesen wäre. Etwa eine Stunde vor dem Tode seiner seeligen Frau, fuhr mein Freund fort, habe er einen Brief an mich auf die Post gesandt, worin er mir versichert hatte, daß hier alles gesund und seine Frau fast völlig hergestellt wäre. Darum habe er mich auch gebeten, ja recht mit ruhigem Geist die Wonne der ungebundenen Freiheit in Göttingen zu schmecken und sie auch einige Tage länger zu genießen, als ichs vorher willens gewesen wäre u.s.f. Diesen Brief, der fünf Tage nach meiner Abreise geschrieben war, hatte ich nun freilich nicht erhalten können.

Nun erfuhr ich auch von einer Person, welcher die seelige Pastorin, unter dem Beding der geheimsten Verschwiegenheit, es anvertraut hatte, daß sie schon seit vielen Jahren auf der Seite, wohin sie verwachsen war, öfters Stiche hinter den Rippen empfunden und allda ein Pflaster getragen hätte. Mir, und auch sonst keinem Menschen, hatte die seelige Frau hievon nicht das geringste gesagt, weil Leute, die solche Fehler an sich haben, sie gern verbergen mögen.

Während der Krankheit hatte die seelige Frau keinen beträchtlichen Husten, auch klagte sie nicht über Engbrüstigkeit; und doch ist es gewiß genug,


mal habe sie aber gesagt, es knacke ihr was in der Brust, und da sei sie in fuͤnf Minuten mit einem starken Roͤcheln verschieden. Nach dem Tode habe man gefunden, daß ihre eine Seite ganz blau gewesen waͤre. Etwa eine Stunde vor dem Tode seiner seeligen Frau, fuhr mein Freund fort, habe er einen Brief an mich auf die Post gesandt, worin er mir versichert hatte, daß hier alles gesund und seine Frau fast voͤllig hergestellt waͤre. Darum habe er mich auch gebeten, ja recht mit ruhigem Geist die Wonne der ungebundenen Freiheit in Goͤttingen zu schmecken und sie auch einige Tage laͤnger zu genießen, als ichs vorher willens gewesen waͤre u.s.f. Diesen Brief, der fuͤnf Tage nach meiner Abreise geschrieben war, hatte ich nun freilich nicht erhalten koͤnnen.

Nun erfuhr ich auch von einer Person, welcher die seelige Pastorin, unter dem Beding der geheimsten Verschwiegenheit, es anvertraut hatte, daß sie schon seit vielen Jahren auf der Seite, wohin sie verwachsen war, oͤfters Stiche hinter den Rippen empfunden und allda ein Pflaster getragen haͤtte. Mir, und auch sonst keinem Menschen, hatte die seelige Frau hievon nicht das geringste gesagt, weil Leute, die solche Fehler an sich haben, sie gern verbergen moͤgen.

Waͤhrend der Krankheit hatte die seelige Frau keinen betraͤchtlichen Husten, auch klagte sie nicht uͤber Engbruͤstigkeit; und doch ist es gewiß genug,

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[85/0085] mal habe sie aber gesagt, es knacke ihr was in der Brust, und da sei sie in fuͤnf Minuten mit einem starken Roͤcheln verschieden. Nach dem Tode habe man gefunden, daß ihre eine Seite ganz blau gewesen waͤre. Etwa eine Stunde vor dem Tode seiner seeligen Frau, fuhr mein Freund fort, habe er einen Brief an mich auf die Post gesandt, worin er mir versichert hatte, daß hier alles gesund und seine Frau fast voͤllig hergestellt waͤre. Darum habe er mich auch gebeten, ja recht mit ruhigem Geist die Wonne der ungebundenen Freiheit in Goͤttingen zu schmecken und sie auch einige Tage laͤnger zu genießen, als ichs vorher willens gewesen waͤre u.s.f. Diesen Brief, der fuͤnf Tage nach meiner Abreise geschrieben war, hatte ich nun freilich nicht erhalten koͤnnen. Nun erfuhr ich auch von einer Person, welcher die seelige Pastorin, unter dem Beding der geheimsten Verschwiegenheit, es anvertraut hatte, daß sie schon seit vielen Jahren auf der Seite, wohin sie verwachsen war, oͤfters Stiche hinter den Rippen empfunden und allda ein Pflaster getragen haͤtte. Mir, und auch sonst keinem Menschen, hatte die seelige Frau hievon nicht das geringste gesagt, weil Leute, die solche Fehler an sich haben, sie gern verbergen moͤgen. Waͤhrend der Krankheit hatte die seelige Frau keinen betraͤchtlichen Husten, auch klagte sie nicht uͤber Engbruͤstigkeit; und doch ist es gewiß genug,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/85>, abgerufen am 25.11.2024.