Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Um sich im Reiten zu üben, besuchte er seinen Großvater auf dem Lande, that mit diesem verschiedene kleine Reisen, ließ sichs wohl schmecken, und brachte drei Wochen nach seinen mir geschriebenen Nachrichten sehr vergnügt und auch nützlich zu. Ganz unvermuthet kam er mit diesem zurück, weil einige Tage vor der Abreise wieder kleine Anfälle von Ueberspannung und lautem Betragen bei Tag und Nacht bemerkt worden waren, welche vermuthlich durch zu gute reichliche Kost, übermäßige Bewegung bei der Hitze, mathematische und theologische Ausarbeitungen ihren Ursprung herhaben mochten. Auf eine Aderlaß und die abführenden Mittel wurde sogleich der schlimmere Fortgang gehemmet. Jndessen ereigneten sich einige hitzige Auftritte, wo ich Ernst anwenden mußte, um sie zu unterdrücken, und die wieder Spuren vom alten Uebel zeigten. Sie verloren sich aber bald, und Lustigkeit trat an die Stelle, wobei er beim Lesen von Dichtern eine Menge scharfsinniger Anspielungen auf Bekannte extemporirte, und Liebestrieb wiederum äußerte, doch gemäßigt und anständig; sonst spürte man keine Unordnungen, und nach Verlauf von acht Tagen genossen wir wieder der schönen Herbstwitte-
Um sich im Reiten zu uͤben, besuchte er seinen Großvater auf dem Lande, that mit diesem verschiedene kleine Reisen, ließ sichs wohl schmecken, und brachte drei Wochen nach seinen mir geschriebenen Nachrichten sehr vergnuͤgt und auch nuͤtzlich zu. Ganz unvermuthet kam er mit diesem zuruͤck, weil einige Tage vor der Abreise wieder kleine Anfaͤlle von Ueberspannung und lautem Betragen bei Tag und Nacht bemerkt worden waren, welche vermuthlich durch zu gute reichliche Kost, uͤbermaͤßige Bewegung bei der Hitze, mathematische und theologische Ausarbeitungen ihren Ursprung herhaben mochten. Auf eine Aderlaß und die abfuͤhrenden Mittel wurde sogleich der schlimmere Fortgang gehemmet. Jndessen ereigneten sich einige hitzige Auftritte, wo ich Ernst anwenden mußte, um sie zu unterdruͤcken, und die wieder Spuren vom alten Uebel zeigten. Sie verloren sich aber bald, und Lustigkeit trat an die Stelle, wobei er beim Lesen von Dichtern eine Menge scharfsinniger Anspielungen auf Bekannte extemporirte, und Liebestrieb wiederum aͤußerte, doch gemaͤßigt und anstaͤndig; sonst spuͤrte man keine Unordnungen, und nach Verlauf von acht Tagen genossen wir wieder der schoͤnen Herbstwitte- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0054" n="54"/><lb/> ein Theil des Sommers vorbei, die er sehr heiter und gesellig zubrachte. Er bezeigte sich wirklich munterer und zufriedener, als in seinen juͤngeren Jahren. </p> <p>Um sich im Reiten zu uͤben, besuchte er seinen Großvater auf dem Lande, that mit diesem verschiedene kleine Reisen, ließ sichs wohl schmecken, und brachte drei Wochen nach seinen mir geschriebenen Nachrichten sehr vergnuͤgt und auch nuͤtzlich zu. Ganz unvermuthet kam er mit diesem zuruͤck, weil einige Tage vor der Abreise wieder kleine Anfaͤlle von Ueberspannung und lautem Betragen bei Tag und Nacht bemerkt worden waren, welche vermuthlich durch zu gute reichliche Kost, uͤbermaͤßige Bewegung bei der Hitze, mathematische und theologische Ausarbeitungen ihren Ursprung herhaben mochten. </p> <p>Auf eine Aderlaß und die abfuͤhrenden Mittel wurde sogleich der schlimmere Fortgang gehemmet. Jndessen ereigneten sich einige hitzige Auftritte, wo ich Ernst anwenden mußte, um sie zu unterdruͤcken, und die wieder Spuren vom alten Uebel zeigten. Sie verloren sich aber bald, und Lustigkeit trat an die Stelle, wobei er beim Lesen von Dichtern eine Menge scharfsinniger Anspielungen auf Bekannte extemporirte, und Liebestrieb wiederum aͤußerte, doch gemaͤßigt und anstaͤndig; sonst spuͤrte man keine Unordnungen, und nach Verlauf von acht Tagen genossen wir wieder der schoͤnen Herbstwitte-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0054]
ein Theil des Sommers vorbei, die er sehr heiter und gesellig zubrachte. Er bezeigte sich wirklich munterer und zufriedener, als in seinen juͤngeren Jahren.
Um sich im Reiten zu uͤben, besuchte er seinen Großvater auf dem Lande, that mit diesem verschiedene kleine Reisen, ließ sichs wohl schmecken, und brachte drei Wochen nach seinen mir geschriebenen Nachrichten sehr vergnuͤgt und auch nuͤtzlich zu. Ganz unvermuthet kam er mit diesem zuruͤck, weil einige Tage vor der Abreise wieder kleine Anfaͤlle von Ueberspannung und lautem Betragen bei Tag und Nacht bemerkt worden waren, welche vermuthlich durch zu gute reichliche Kost, uͤbermaͤßige Bewegung bei der Hitze, mathematische und theologische Ausarbeitungen ihren Ursprung herhaben mochten.
Auf eine Aderlaß und die abfuͤhrenden Mittel wurde sogleich der schlimmere Fortgang gehemmet. Jndessen ereigneten sich einige hitzige Auftritte, wo ich Ernst anwenden mußte, um sie zu unterdruͤcken, und die wieder Spuren vom alten Uebel zeigten. Sie verloren sich aber bald, und Lustigkeit trat an die Stelle, wobei er beim Lesen von Dichtern eine Menge scharfsinniger Anspielungen auf Bekannte extemporirte, und Liebestrieb wiederum aͤußerte, doch gemaͤßigt und anstaͤndig; sonst spuͤrte man keine Unordnungen, und nach Verlauf von acht Tagen genossen wir wieder der schoͤnen Herbstwitte-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/54>, abgerufen am 16.07.2024. |