Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


alles grundfalsch -- sprach überdem gegen uns Beyde nichts als Vorwürfe; doch wurde er besänftigt, und versprach ihm zu folgen, auch auf seinen Rath nicht auszugehen. Wie wir wiederum hereinkamen, bezeigte er sich ganz gelassen gegen uns, und sowohl der Geistliche als der Arzt hatten versprochen Nachmittags wieder zu ihm zu kommen, worüber er Zufriedenheit äusserte.

Auf Anrathen des letztern ward ein Aufpasser unten ins Haus bestellt, damit er nicht unversehens hinauskommen möchte, weil er immer wünschte, den vorgehabten Besuch noch abzustatten, und bis zur Wiederkunft des Arztes keine Gewalt dagegen gebrauchet werden sollte, sondern er nur mit Zureden, da Güte Eindruck machte, davon abgehalten wurde.

Die Arzenei nahm er ohne Wiederrede, und hierüber ward es Mittag. Kurz vor Tisch ging er in ein anders Zimmer, wo aufgeschnittener Braten stand, hiervon verschluckte er gierig einige geschnittene Stücke, und setzte sich mit uns beim Zurückkehren zur Suppe, ohne es sich merken zu lassen, daß er das Fleisch, was untersaget war, gegessen hatte.

Voll Unzufriedenheit und mürrischem Wesen sprach er beym Essen von der mehreren Freiheit, die ihm nun bei seinem Alter gegeben werden müßte, hinzugehen, wo es ihm gut dünkte, ohne es vorhero anzuzeigen, auch wolle er zur Zerstreuung aufs Land reisen, doch nicht etwa zu den Großel-


alles grundfalsch — sprach uͤberdem gegen uns Beyde nichts als Vorwuͤrfe; doch wurde er besaͤnftigt, und versprach ihm zu folgen, auch auf seinen Rath nicht auszugehen. Wie wir wiederum hereinkamen, bezeigte er sich ganz gelassen gegen uns, und sowohl der Geistliche als der Arzt hatten versprochen Nachmittags wieder zu ihm zu kommen, woruͤber er Zufriedenheit aͤusserte.

Auf Anrathen des letztern ward ein Aufpasser unten ins Haus bestellt, damit er nicht unversehens hinauskommen moͤchte, weil er immer wuͤnschte, den vorgehabten Besuch noch abzustatten, und bis zur Wiederkunft des Arztes keine Gewalt dagegen gebrauchet werden sollte, sondern er nur mit Zureden, da Guͤte Eindruck machte, davon abgehalten wurde.

Die Arzenei nahm er ohne Wiederrede, und hieruͤber ward es Mittag. Kurz vor Tisch ging er in ein anders Zimmer, wo aufgeschnittener Braten stand, hiervon verschluckte er gierig einige geschnittene Stuͤcke, und setzte sich mit uns beim Zuruͤckkehren zur Suppe, ohne es sich merken zu lassen, daß er das Fleisch, was untersaget war, gegessen hatte.

Voll Unzufriedenheit und muͤrrischem Wesen sprach er beym Essen von der mehreren Freiheit, die ihm nun bei seinem Alter gegeben werden muͤßte, hinzugehen, wo es ihm gut duͤnkte, ohne es vorhero anzuzeigen, auch wolle er zur Zerstreuung aufs Land reisen, doch nicht etwa zu den Großel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0028" n="28"/><lb/>
alles grundfalsch &#x2014;                   sprach u&#x0364;berdem gegen uns Beyde nichts als Vorwu&#x0364;rfe; doch wurde er besa&#x0364;nftigt, und                   versprach ihm zu folgen, auch auf seinen Rath nicht auszugehen. Wie wir wiederum                   hereinkamen, bezeigte er sich ganz gelassen gegen uns, und sowohl der Geistliche                   als der Arzt hatten versprochen Nachmittags wieder zu ihm zu kommen, woru&#x0364;ber er                   Zufriedenheit a&#x0364;usserte. </p>
            <p>Auf Anrathen des letztern ward ein Aufpasser unten ins Haus bestellt, damit er                   nicht unversehens hinauskommen mo&#x0364;chte, weil er immer wu&#x0364;nschte, den vorgehabten                   Besuch noch abzustatten, und bis zur Wiederkunft des Arztes keine Gewalt dagegen                   gebrauchet werden sollte, sondern er nur mit Zureden, da Gu&#x0364;te Eindruck machte,                   davon abgehalten wurde. </p>
            <p>Die Arzenei nahm er ohne Wiederrede, und hieru&#x0364;ber ward es Mittag. Kurz vor Tisch                   ging er in ein anders Zimmer, wo aufgeschnittener Braten stand, hiervon                   verschluckte er gierig einige geschnittene Stu&#x0364;cke, und setzte sich mit uns beim                   Zuru&#x0364;ckkehren zur Suppe, ohne es sich merken zu lassen, daß er das Fleisch, was                   untersaget war, gegessen hatte. </p>
            <p>Voll Unzufriedenheit und mu&#x0364;rrischem Wesen sprach er beym Essen von der mehreren                   Freiheit, die ihm nun bei seinem Alter gegeben werden mu&#x0364;ßte, hinzugehen, wo es ihm                   gut du&#x0364;nkte, ohne es vorhero anzuzeigen, auch wolle er zur Zerstreuung aufs Land                   reisen, doch nicht etwa zu den Großel-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0028] alles grundfalsch — sprach uͤberdem gegen uns Beyde nichts als Vorwuͤrfe; doch wurde er besaͤnftigt, und versprach ihm zu folgen, auch auf seinen Rath nicht auszugehen. Wie wir wiederum hereinkamen, bezeigte er sich ganz gelassen gegen uns, und sowohl der Geistliche als der Arzt hatten versprochen Nachmittags wieder zu ihm zu kommen, woruͤber er Zufriedenheit aͤusserte. Auf Anrathen des letztern ward ein Aufpasser unten ins Haus bestellt, damit er nicht unversehens hinauskommen moͤchte, weil er immer wuͤnschte, den vorgehabten Besuch noch abzustatten, und bis zur Wiederkunft des Arztes keine Gewalt dagegen gebrauchet werden sollte, sondern er nur mit Zureden, da Guͤte Eindruck machte, davon abgehalten wurde. Die Arzenei nahm er ohne Wiederrede, und hieruͤber ward es Mittag. Kurz vor Tisch ging er in ein anders Zimmer, wo aufgeschnittener Braten stand, hiervon verschluckte er gierig einige geschnittene Stuͤcke, und setzte sich mit uns beim Zuruͤckkehren zur Suppe, ohne es sich merken zu lassen, daß er das Fleisch, was untersaget war, gegessen hatte. Voll Unzufriedenheit und muͤrrischem Wesen sprach er beym Essen von der mehreren Freiheit, die ihm nun bei seinem Alter gegeben werden muͤßte, hinzugehen, wo es ihm gut duͤnkte, ohne es vorhero anzuzeigen, auch wolle er zur Zerstreuung aufs Land reisen, doch nicht etwa zu den Großel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/28
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/28>, abgerufen am 19.04.2024.