Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


konnte und als ein lebhafter Knabe doch unterhalten seyn wollte, machte mir dadurch selbst Beschäftigung, daß ich theils mit meinen Nachbaren spielte, theils Kirschkerne, die ich zu dem Ende mit in die Schule genommen hatte, bald in die Tasche hinein, bald herauszählte, und wenn ich konnte, verstohlen aufknackte. Ein unversehner derber Schlag auf die Hand verleidete mir indeß dieß Händespiel und ich sahe nun auf die Tafel. Mein Blick und meine freudige Mine, mit der ich dem Manne nie von der Hand wegsahe, nahmen ihn wieder für mich ein! Er hielt das für Aufmerksamkeit auf die Sachen, die er anschrieb, und im Grunde das, was mich anzog, waren seine Hemdeknöpfe, die ich von ungefähr zu Gesichte bekam, und die von Glas, in Silber eingefast waren, und eine rothe Folie zur Unterlage hatten. Mit jeder Bewegung der Hand, die durch das Anschreiben geschähe, bewegten sich auch die Knöpfe, und mit innigem Wohlgefallen bemerkte ich, wie sie sich an dem weißen Hemde stießen und schimmerten. Mir ist noch, als sähe ich die Mine des ehrlichen Mannes, mit der er mir entgegenlächelte und sich mir nahete. Mit jeder Annäherung verdoppelte sich meine Freude, denn die lieben Knöpfe kamen mir dadurch näher, und nicht froher war ich, als wenn er mir mit Wohlgefallen die Haare


konnte und als ein lebhafter Knabe doch unterhalten seyn wollte, machte mir dadurch selbst Beschaͤftigung, daß ich theils mit meinen Nachbaren spielte, theils Kirschkerne, die ich zu dem Ende mit in die Schule genommen hatte, bald in die Tasche hinein, bald herauszaͤhlte, und wenn ich konnte, verstohlen aufknackte. Ein unversehner derber Schlag auf die Hand verleidete mir indeß dieß Haͤndespiel und ich sahe nun auf die Tafel. Mein Blick und meine freudige Mine, mit der ich dem Manne nie von der Hand wegsahe, nahmen ihn wieder fuͤr mich ein! Er hielt das fuͤr Aufmerksamkeit auf die Sachen, die er anschrieb, und im Grunde das, was mich anzog, waren seine Hemdeknoͤpfe, die ich von ungefaͤhr zu Gesichte bekam, und die von Glas, in Silber eingefast waren, und eine rothe Folie zur Unterlage hatten. Mit jeder Bewegung der Hand, die durch das Anschreiben geschaͤhe, bewegten sich auch die Knoͤpfe, und mit innigem Wohlgefallen bemerkte ich, wie sie sich an dem weißen Hemde stießen und schimmerten. Mir ist noch, als saͤhe ich die Mine des ehrlichen Mannes, mit der er mir entgegenlaͤchelte und sich mir nahete. Mit jeder Annaͤherung verdoppelte sich meine Freude, denn die lieben Knoͤpfe kamen mir dadurch naͤher, und nicht froher war ich, als wenn er mir mit Wohlgefallen die Haare

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0113" n="113"/><lb/>
konnte und als ein lebhafter Knabe doch unterhalten seyn wollte, machte mir                   dadurch selbst Bescha&#x0364;ftigung, daß ich theils mit meinen Nachbaren spielte, theils                   Kirschkerne, die ich zu dem Ende mit in die Schule genommen hatte, bald in die                   Tasche hinein, bald herausza&#x0364;hlte, und wenn ich konnte, verstohlen aufknackte. Ein                   unversehner derber Schlag auf die Hand verleidete mir indeß dieß Ha&#x0364;ndespiel und                   ich sahe nun auf die Tafel. Mein Blick und meine freudige Mine, mit der ich dem                   Manne nie von der Hand wegsahe, nahmen ihn wieder fu&#x0364;r mich ein! Er hielt das fu&#x0364;r                   Aufmerksamkeit auf die Sachen, die er anschrieb, und im Grunde das, was mich                   anzog, waren seine Hemdekno&#x0364;pfe, die ich von ungefa&#x0364;hr zu Gesichte bekam, und die                   von Glas, in Silber eingefast waren, und eine rothe Folie zur Unterlage hatten.                   Mit jeder Bewegung der Hand, die durch das Anschreiben gescha&#x0364;he, bewegten sich                   auch die Kno&#x0364;pfe, und mit innigem Wohlgefallen bemerkte ich, wie sie sich an dem                   weißen Hemde stießen und schimmerten. Mir ist noch, als sa&#x0364;he ich die Mine des                   ehrlichen Mannes, mit der er mir entgegenla&#x0364;chelte und sich mir nahete. Mit jeder                   Anna&#x0364;herung verdoppelte sich meine Freude, denn die lieben Kno&#x0364;pfe kamen mir dadurch                   na&#x0364;her, und nicht froher war ich, als wenn <choice><corr>er mir mit                         Wohlgefallen die Haare </corr><sic>ich mir mit Wohlgefallen die                         Ha&#x0364;nde zuru&#x0364;ckstrich</sic></choice><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0113] konnte und als ein lebhafter Knabe doch unterhalten seyn wollte, machte mir dadurch selbst Beschaͤftigung, daß ich theils mit meinen Nachbaren spielte, theils Kirschkerne, die ich zu dem Ende mit in die Schule genommen hatte, bald in die Tasche hinein, bald herauszaͤhlte, und wenn ich konnte, verstohlen aufknackte. Ein unversehner derber Schlag auf die Hand verleidete mir indeß dieß Haͤndespiel und ich sahe nun auf die Tafel. Mein Blick und meine freudige Mine, mit der ich dem Manne nie von der Hand wegsahe, nahmen ihn wieder fuͤr mich ein! Er hielt das fuͤr Aufmerksamkeit auf die Sachen, die er anschrieb, und im Grunde das, was mich anzog, waren seine Hemdeknoͤpfe, die ich von ungefaͤhr zu Gesichte bekam, und die von Glas, in Silber eingefast waren, und eine rothe Folie zur Unterlage hatten. Mit jeder Bewegung der Hand, die durch das Anschreiben geschaͤhe, bewegten sich auch die Knoͤpfe, und mit innigem Wohlgefallen bemerkte ich, wie sie sich an dem weißen Hemde stießen und schimmerten. Mir ist noch, als saͤhe ich die Mine des ehrlichen Mannes, mit der er mir entgegenlaͤchelte und sich mir nahete. Mit jeder Annaͤherung verdoppelte sich meine Freude, denn die lieben Knoͤpfe kamen mir dadurch naͤher, und nicht froher war ich, als wenn er mir mit Wohlgefallen die Haare

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/113
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/113>, abgerufen am 28.11.2024.