Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Es ist beinahe überflüssig zu erinnern, wie sehr beim ersten Unterricht es darauf ankomme, mit Kindern in schicklichen Bildern zu reden; ihnen alles, so viel es geschehen kann, zu versinnlichen; sie nichts lernen zu lassen, was sie nicht verstehen können, was nicht aus ihrer Sphäre hergenommen ist, oder nicht durch irgend eine Beziehung darauf deutlich gemacht werden kann. Besonders heilsam wäre es aber, wenn jeder Lehrer bei Gedächtnißübungen -- die allerdings für sich als Vorbereitung zum Sprach- und wissenschaftlichen Unterricht nöthig und dienlich sind -- etwas mehr sich auf die Gesetze der Einbildungskraft und des Gedächtnisses, die auf jenen beruht, verstände, durch Aehnlichkeit, Aneinanderkettung und Beziehung der Jdeen aufeinander, das meist so martervolle Auswendiglernen den
Es ist beinahe uͤberfluͤssig zu erinnern, wie sehr beim ersten Unterricht es darauf ankomme, mit Kindern in schicklichen Bildern zu reden; ihnen alles, so viel es geschehen kann, zu versinnlichen; sie nichts lernen zu lassen, was sie nicht verstehen koͤnnen, was nicht aus ihrer Sphaͤre hergenommen ist, oder nicht durch irgend eine Beziehung darauf deutlich gemacht werden kann. Besonders heilsam waͤre es aber, wenn jeder Lehrer bei Gedaͤchtnißuͤbungen — die allerdings fuͤr sich als Vorbereitung zum Sprach- und wissenschaftlichen Unterricht noͤthig und dienlich sind — etwas mehr sich auf die Gesetze der Einbildungskraft und des Gedaͤchtnisses, die auf jenen beruht, verstaͤnde, durch Aehnlichkeit, Aneinanderkettung und Beziehung der Jdeen aufeinander, das meist so martervolle Auswendiglernen den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="108"/><lb/> verstand sie nicht, nicht einmal die einzelnen Worte, aus denen sie zusammengesetzt waren, sie interessirten mich unendlich weniger als mein Kraͤusel, und fuͤr die schreckliche Qual, die ich bei Erlernung der Regel: <hi rendition="#aq">mascula sunt thorax,</hi> wo sich alle Woͤrter in <hi rendition="#aq">x</hi> endigen und wo dem Gedaͤchtniß nichts zu Huͤlfe koͤmmt, als allenfalls der gleichfoͤrmige Schall der ausgesprochenen Silbe <hi rendition="#aq">ex,</hi> ist mir jetzt nichts mehr uͤbrig geblieben als der Anfang davon und das traurige Andenken an die damaligen Zeiten. </p> <p>Es ist beinahe uͤberfluͤssig zu erinnern, wie sehr beim ersten Unterricht es darauf ankomme, mit Kindern in schicklichen Bildern zu reden; ihnen alles, so viel es geschehen kann, zu versinnlichen; sie nichts lernen zu lassen, was sie nicht verstehen koͤnnen, was nicht aus ihrer Sphaͤre hergenommen ist, oder nicht durch irgend eine Beziehung darauf deutlich gemacht werden kann. Besonders heilsam waͤre es aber, wenn jeder Lehrer bei Gedaͤchtnißuͤbungen — die allerdings fuͤr sich als Vorbereitung zum Sprach- und wissenschaftlichen Unterricht noͤthig und dienlich sind — etwas mehr sich auf die Gesetze der Einbildungskraft und des Gedaͤchtnisses, die auf jenen beruht, verstaͤnde, durch Aehnlichkeit, Aneinanderkettung und Beziehung der Jdeen aufeinander, das meist so martervolle Auswendiglernen den<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0108]
verstand sie nicht, nicht einmal die einzelnen Worte, aus denen sie zusammengesetzt waren, sie interessirten mich unendlich weniger als mein Kraͤusel, und fuͤr die schreckliche Qual, die ich bei Erlernung der Regel: mascula sunt thorax, wo sich alle Woͤrter in x endigen und wo dem Gedaͤchtniß nichts zu Huͤlfe koͤmmt, als allenfalls der gleichfoͤrmige Schall der ausgesprochenen Silbe ex, ist mir jetzt nichts mehr uͤbrig geblieben als der Anfang davon und das traurige Andenken an die damaligen Zeiten.
Es ist beinahe uͤberfluͤssig zu erinnern, wie sehr beim ersten Unterricht es darauf ankomme, mit Kindern in schicklichen Bildern zu reden; ihnen alles, so viel es geschehen kann, zu versinnlichen; sie nichts lernen zu lassen, was sie nicht verstehen koͤnnen, was nicht aus ihrer Sphaͤre hergenommen ist, oder nicht durch irgend eine Beziehung darauf deutlich gemacht werden kann. Besonders heilsam waͤre es aber, wenn jeder Lehrer bei Gedaͤchtnißuͤbungen — die allerdings fuͤr sich als Vorbereitung zum Sprach- und wissenschaftlichen Unterricht noͤthig und dienlich sind — etwas mehr sich auf die Gesetze der Einbildungskraft und des Gedaͤchtnisses, die auf jenen beruht, verstaͤnde, durch Aehnlichkeit, Aneinanderkettung und Beziehung der Jdeen aufeinander, das meist so martervolle Auswendiglernen den
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