Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.Der Prophet Maleachi spricht im 2ten Capitel seiner Weissagung, im 7ten Vers, also: des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, daß man aus seinem Munde das Gesetz suche, denn er ist ein Engel des Herrn Zebaoth. Allein wie kann der Priester die Lehre bewahren, wenn sie zu ihm kommen und lassen sich Jungfer kündigen und sind Huren? Wie kann denn der Priester die Lehre bewahren, da das Pöbel kömmt und lügt ihm vor, sie sagen, sie sind Jungfern, und sind Huren? Muß denn der Priester nicht zum Lügner werden? Aber ich will noch die Huren und diebischen Weiber aus Gingst herausfegen. Jch darf ja nur an Sr. Durchlaucht schreiben, sonst muß ich ja Lügen an dieser Stätte predigen, und nicht die Wahrheit. Sie meynen, wenn sie nur dort in den verfluchten Beichtstuhl mit ihrem verdammten Groschen kommen, und mir die Beichte vorplappern; dann meynen sie, soll ich ihnen die Sünden vergeben, aber sie kommen mir nur, ich will sie ganz auf eine andere Art kriegen! Eben so macht es hier der Pöbel in Gingst, da hier nun die Pocken grassiren, so kommen sie nicht zu mir und fragen, was ihren Kindern, die die Pocken haben, gut und nützlich ist; da läßt das Pöbel nur den Schaafmist von mir holen, und den Schaafkoth geben sie ihren Kindern zu fressen. Das soll den Kindern für die Pocken gut seyn; wenn der Gingster Pöbel noch zu mir, oder zu sol- Der Prophet Maleachi spricht im 2ten Capitel seiner Weissagung, im 7ten Vers, also: des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, daß man aus seinem Munde das Gesetz suche, denn er ist ein Engel des Herrn Zebaoth. Allein wie kann der Priester die Lehre bewahren, wenn sie zu ihm kommen und lassen sich Jungfer kuͤndigen und sind Huren? Wie kann denn der Priester die Lehre bewahren, da das Poͤbel koͤmmt und luͤgt ihm vor, sie sagen, sie sind Jungfern, und sind Huren? Muß denn der Priester nicht zum Luͤgner werden? Aber ich will noch die Huren und diebischen Weiber aus Gingst herausfegen. Jch darf ja nur an Sr. Durchlaucht schreiben, sonst muß ich ja Luͤgen an dieser Staͤtte predigen, und nicht die Wahrheit. Sie meynen, wenn sie nur dort in den verfluchten Beichtstuhl mit ihrem verdammten Groschen kommen, und mir die Beichte vorplappern; dann meynen sie, soll ich ihnen die Suͤnden vergeben, aber sie kommen mir nur, ich will sie ganz auf eine andere Art kriegen! Eben so macht es hier der Poͤbel in Gingst, da hier nun die Pocken grassiren, so kommen sie nicht zu mir und fragen, was ihren Kindern, die die Pocken haben, gut und nuͤtzlich ist; da laͤßt das Poͤbel nur den Schaafmist von mir holen, und den Schaafkoth geben sie ihren Kindern zu fressen. Das soll den Kindern fuͤr die Pocken gut seyn; wenn der Gingster Poͤbel noch zu mir, oder zu sol- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0004" n="2"/><lb/> <p>Der Prophet Maleachi spricht im 2ten Capitel seiner Weissagung, im 7ten Vers, also: des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, daß man aus seinem Munde das Gesetz suche, denn er ist ein Engel des Herrn Zebaoth. Allein wie kann der Priester die Lehre bewahren, wenn sie zu ihm kommen und lassen sich Jungfer kuͤndigen und sind Huren? Wie kann denn der Priester die Lehre bewahren, da das Poͤbel koͤmmt und luͤgt ihm vor, sie sagen, sie sind Jungfern, und sind Huren? Muß denn der Priester nicht zum Luͤgner werden? Aber ich will noch die Huren und diebischen Weiber aus Gingst herausfegen. Jch darf ja nur an Sr. Durchlaucht schreiben, sonst muß ich ja Luͤgen an dieser Staͤtte predigen, und nicht die Wahrheit. Sie meynen, wenn sie nur dort in den verfluchten Beichtstuhl mit ihrem verdammten Groschen kommen, und mir die Beichte vorplappern; dann meynen sie, soll ich ihnen die Suͤnden vergeben, aber sie kommen mir nur, ich will sie ganz auf eine andere Art kriegen!</p> <p>Eben so macht es hier der Poͤbel in Gingst, da hier nun die Pocken grassiren, so kommen sie nicht zu mir und fragen, was ihren Kindern, die die Pocken haben, gut und nuͤtzlich ist; da laͤßt das Poͤbel nur den Schaafmist von mir holen, und den Schaafkoth geben sie <choice><corr>ihren Kindern</corr><sic>ihre Kinder</sic></choice> zu fressen. Das soll den Kindern fuͤr die Pocken gut seyn; wenn der Gingster Poͤbel noch zu mir, oder zu sol-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0004]
Der Prophet Maleachi spricht im 2ten Capitel seiner Weissagung, im 7ten Vers, also: des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, daß man aus seinem Munde das Gesetz suche, denn er ist ein Engel des Herrn Zebaoth. Allein wie kann der Priester die Lehre bewahren, wenn sie zu ihm kommen und lassen sich Jungfer kuͤndigen und sind Huren? Wie kann denn der Priester die Lehre bewahren, da das Poͤbel koͤmmt und luͤgt ihm vor, sie sagen, sie sind Jungfern, und sind Huren? Muß denn der Priester nicht zum Luͤgner werden? Aber ich will noch die Huren und diebischen Weiber aus Gingst herausfegen. Jch darf ja nur an Sr. Durchlaucht schreiben, sonst muß ich ja Luͤgen an dieser Staͤtte predigen, und nicht die Wahrheit. Sie meynen, wenn sie nur dort in den verfluchten Beichtstuhl mit ihrem verdammten Groschen kommen, und mir die Beichte vorplappern; dann meynen sie, soll ich ihnen die Suͤnden vergeben, aber sie kommen mir nur, ich will sie ganz auf eine andere Art kriegen!
Eben so macht es hier der Poͤbel in Gingst, da hier nun die Pocken grassiren, so kommen sie nicht zu mir und fragen, was ihren Kindern, die die Pocken haben, gut und nuͤtzlich ist; da laͤßt das Poͤbel nur den Schaafmist von mir holen, und den Schaafkoth geben sie ihren Kindern zu fressen. Das soll den Kindern fuͤr die Pocken gut seyn; wenn der Gingster Poͤbel noch zu mir, oder zu sol-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/4>, abgerufen am 16.02.2025. |