Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.Unter diesen Beschäftigungen vergingen wieder zwei Jahr. Jch sahe mich überall nach Hülfe um; nach einem zweckmäßigern Leben, denn ich wurde ja immer älter. Durch Zufall erhielt ich eine gedruckte Nachricht von einem neu errichteten Schulmeister-Seminario zu H***. Jch las es mit innigem Vergnügen: denn mein Herz wird bei jedem Schritt, welchen die Menschheit zu ihrer Vervollkommung thut, empfindlich gerührt. Jn mir entstand der Wunsch, darinnen aufgenommen zu werden. Jch schrieb an den Aufseher desselben, schilderte ihm meine Lage und bat um Aufnahme. Jch erhielt bald Antwort. "Wenn Sie der sind, welchen ich aus Jhrem Briefe haben kennen lernen, so eilen Sie zu mir," hieß es darinn. Allein mir fehlte Equipage. Das erstemal in meinem Leben überwand ich mich, und schrieb an einige würdige Männer meiner Vaterstadt und bat um Unterstützung bei meinem Vorhaben. Jch erhielt sie, und -- dürfte ich sie doch nennen, diese Redlichen -- aber gewisse Umstände verbieten mirs. Aber meinen heißen innigen Dank nehmt hin Jhr Edle! Jn meinem Herzen wohnt Euer Andenken und Gott wirds Euch längst vergolten haben: denn durch Euch erhielt ich doch wieder auf einige Zeit, wenns weiter nichts war, die nöthigsten Bedürfnisse des Lebens: Kleidung und Wäsche. Der Aufseher des Jnstituts schrieb mir wieder, und diesen Brief erhielt ich durch dessen Bruder; Unter diesen Beschaͤftigungen vergingen wieder zwei Jahr. Jch sahe mich uͤberall nach Huͤlfe um; nach einem zweckmaͤßigern Leben, denn ich wurde ja immer aͤlter. Durch Zufall erhielt ich eine gedruckte Nachricht von einem neu errichteten Schulmeister-Seminario zu H***. Jch las es mit innigem Vergnuͤgen: denn mein Herz wird bei jedem Schritt, welchen die Menschheit zu ihrer Vervollkommung thut, empfindlich geruͤhrt. Jn mir entstand der Wunsch, darinnen aufgenommen zu werden. Jch schrieb an den Aufseher desselben, schilderte ihm meine Lage und bat um Aufnahme. Jch erhielt bald Antwort. »Wenn Sie der sind, welchen ich aus Jhrem Briefe haben kennen lernen, so eilen Sie zu mir,« hieß es darinn. Allein mir fehlte Equipage. Das erstemal in meinem Leben uͤberwand ich mich, und schrieb an einige wuͤrdige Maͤnner meiner Vaterstadt und bat um Unterstuͤtzung bei meinem Vorhaben. Jch erhielt sie, und — duͤrfte ich sie doch nennen, diese Redlichen — aber gewisse Umstaͤnde verbieten mirs. Aber meinen heißen innigen Dank nehmt hin Jhr Edle! Jn meinem Herzen wohnt Euer Andenken und Gott wirds Euch laͤngst vergolten haben: denn durch Euch erhielt ich doch wieder auf einige Zeit, wenns weiter nichts war, die noͤthigsten Beduͤrfnisse des Lebens: Kleidung und Waͤsche. Der Aufseher des Jnstituts schrieb mir wieder, und diesen Brief erhielt ich durch dessen Bruder; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0015" n="13"/><lb/> <p>Unter diesen Beschaͤftigungen vergingen wieder zwei Jahr. Jch sahe mich uͤberall nach Huͤlfe um; nach einem zweckmaͤßigern Leben, denn ich wurde ja immer aͤlter. Durch Zufall erhielt ich eine gedruckte Nachricht von einem neu errichteten Schulmeister-Seminario zu H***. Jch las es mit innigem Vergnuͤgen: denn mein Herz wird bei jedem Schritt, welchen die Menschheit zu ihrer Vervollkommung thut, empfindlich geruͤhrt. Jn mir entstand der Wunsch, darinnen aufgenommen zu werden. Jch schrieb an den Aufseher desselben, schilderte ihm meine Lage und bat um Aufnahme. Jch erhielt bald Antwort. »Wenn Sie der sind, welchen ich aus Jhrem Briefe haben kennen lernen, so eilen Sie zu mir,« hieß es darinn. Allein mir fehlte Equipage. Das erstemal in meinem Leben uͤberwand ich mich, und schrieb an einige wuͤrdige Maͤnner meiner Vaterstadt und bat um Unterstuͤtzung bei meinem Vorhaben. Jch erhielt sie, und — duͤrfte ich sie doch nennen, diese Redlichen — aber gewisse Umstaͤnde verbieten mirs. Aber meinen heißen innigen Dank nehmt hin Jhr Edle! Jn meinem Herzen wohnt Euer Andenken und Gott wirds Euch laͤngst vergolten haben: denn durch Euch erhielt ich doch wieder auf einige Zeit, wenns weiter nichts war, die noͤthigsten Beduͤrfnisse des Lebens: Kleidung und Waͤsche.</p> <p>Der Aufseher des Jnstituts schrieb mir wieder, und diesen Brief erhielt ich durch dessen Bruder;<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0015]
Unter diesen Beschaͤftigungen vergingen wieder zwei Jahr. Jch sahe mich uͤberall nach Huͤlfe um; nach einem zweckmaͤßigern Leben, denn ich wurde ja immer aͤlter. Durch Zufall erhielt ich eine gedruckte Nachricht von einem neu errichteten Schulmeister-Seminario zu H***. Jch las es mit innigem Vergnuͤgen: denn mein Herz wird bei jedem Schritt, welchen die Menschheit zu ihrer Vervollkommung thut, empfindlich geruͤhrt. Jn mir entstand der Wunsch, darinnen aufgenommen zu werden. Jch schrieb an den Aufseher desselben, schilderte ihm meine Lage und bat um Aufnahme. Jch erhielt bald Antwort. »Wenn Sie der sind, welchen ich aus Jhrem Briefe haben kennen lernen, so eilen Sie zu mir,« hieß es darinn. Allein mir fehlte Equipage. Das erstemal in meinem Leben uͤberwand ich mich, und schrieb an einige wuͤrdige Maͤnner meiner Vaterstadt und bat um Unterstuͤtzung bei meinem Vorhaben. Jch erhielt sie, und — duͤrfte ich sie doch nennen, diese Redlichen — aber gewisse Umstaͤnde verbieten mirs. Aber meinen heißen innigen Dank nehmt hin Jhr Edle! Jn meinem Herzen wohnt Euer Andenken und Gott wirds Euch laͤngst vergolten haben: denn durch Euch erhielt ich doch wieder auf einige Zeit, wenns weiter nichts war, die noͤthigsten Beduͤrfnisse des Lebens: Kleidung und Waͤsche.
Der Aufseher des Jnstituts schrieb mir wieder, und diesen Brief erhielt ich durch dessen Bruder;
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/15>, abgerufen am 16.07.2024. |